BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluß
in dem Rechtsstreit
Az: 13 BJ 271/96
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozeßbevollmächtigte:
gegen
Bahnversicherungsanstalt, Bezirksleitung Rosenheim,
Klepperstraße 1a, 83026 Rosenheim,
Beklagte und Beschwerdegegnerin,
beigeladen:
Freistaat Bayern,
vertreten durch die Bezirksfinanzdirektion Regensburg,
Bahnhofstraße 7, 93047 Regensburg.
Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 13. Mai 1997 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. G. sowie die Richter Dr. L.
und M.
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayeri-
schen Landessozialgerichts vom 21. Mai 1996 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für das Beschwerdeverfahren
nicht zu erstatten.
Gründe:
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Im Ausgangsverfahren ist die Rückgängigmachung einer Beitragserstattung, hilfsweise
die Nachentrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen, ggf im Wege einer Nachversi-
cherung, streitig.
Der am 20. März 1940 geborene Kläger war bei der Deutschen Bundesbahn zunächst
vom 1. September 1954 bis 20. November 1957 als versicherungspflichtiger Jungwerker
und anschließend bis zum 31. Juli 1961 als versicherungsfreier Betriebsaufseher-Anwär-
ter tätig. Auf seinen Antrag wurden ihm mit Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember
1959 die in der Zeit vom 1. September 1954 bis 20. November 1957 entrichteten Arbeit-
nehmeranteile der Beiträge zur Rentenversicherung erstattet. Zum 1. August 1961 wech-
selte der Kläger in eine versicherungsfreie Tätigkeit bei der Finanzverwaltung über, wo er
1991 als Steuerhauptsekretär in den Ruhestand versetzt wurde. Da seine Zeit bei der
Deutschen Bundesbahn nicht als ruhegehaltsfähige Dienstzeit angerechnet wurde, er-
folgte für die Zeit vom 1. Dezember 1957 bis 31. Juli 1961 eine Nachversicherung. Mit
Bescheid vom 23. November 1992 idF des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 1993
lehnte die Beklagte sowohl eine Rückgängigmachung der 1959 erfolgten Beitragserstat-
tung als auch eine Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit von Septem-
ber 1954 bis November 1957 ab. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteile des
Sozialgerichts Regensburg <SG> vom 11. Oktober 1994 und des Bayerischen Landes-
sozialgerichts <LSG> vom 21. Mai 1996).
Das LSG hat seine Entscheidung im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:
Eine Verpflichtung der Beklagten zur Rückgängigmachung der Beitragserstattung vom
22. Dezember 1959 bestehe nicht. Der Erstattungsbescheid sei wirksam und bestands-
kräftig geworden. Zwar habe der Kläger als nach damaligem Recht Minderjähriger einen
Antrag auf Beitragserstattung nicht wirksam stellen können, auch habe das Fehlen eines
wirksamen Antrages auf Beitragserstattung die Nichtigkeit des Erstattungsbescheides zur
Folge, hier sei jedoch § 108 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entsprechend anzu-
wenden. Das bedeute, daß ein Zustand schwebender Unwirksamkeit bestanden habe.
Nach Eintritt der Volljährigkeit des Klägers, nach damaligem Recht am 20. März 1961, sei
seine Genehmigung an die Stelle der fehlenden Genehmigung seines gesetzlichen Ver-
treters getreten (vgl § 108 Abs 3 BGB). Eine solche Genehmigung könne auch konkludent
anzunehmen sein, wenn der volljährig Gewordene den Vertrag fortsetze bzw - wie hier -
die Beitragserstattung nicht beanstande. Dies habe von seiten der Beklagten als Geneh-
migung aufgefaßt werden müssen. Der Beitragserstattungsbescheid vom 22. Dezember
1959 sei also spätestens mit Volljährigkeit des Klägers im März 1961 wirksam geworden.
Der Bescheid sei auch nicht rechtswidrig gewesen. Mit der Aufnahme des Klägers in die
Bundesbahn-Anwärterliste ab 1. Dezember 1957 sei die Versicherungspflicht zur gesetz-
lichen Rentenversicherung entfallen, ohne daß der Kläger ein Recht zur freiwilligen Wei-
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terversicherung gehabt habe. Im übrigen ließe sich die seinerzeitige Beitragserstattung
auch dann nicht rückgängig machen, wenn deren gesetzliche Voraussetzungen nicht vor-
gelegen hätten.
Konzediere man trotz der hoheitlichen Abwicklung einer Beitragserstattung eine gewisse
Ähnlichkeit mit öffentlich-rechtlichen Verträgen, so habe hier ein Irrtum über die Ge-
schäftsgrundlage in Gestalt der außerhalb der Beitragserstattung liegenden rechtlichen
Gegebenheiten seitens der Beteiligten nicht vorgelegen. Vielmehr habe der Kläger damit
rechnen können, bei Fortführung seines Anwärterverhältnisses Versorgung von der Deut-
schen Bundesbahn unter Einbeziehung auch der Zeit seit dem 1. Dezember 1957 zu er-
halten. Die Erwartung des Fortbestehens dieser Perspektive könne aber nicht als Ge-
schäftsgrundlage einer Beitragserstattung angesehen werden, deren Fortfall einen An-
spruch auf Rückgängigmachung begründe.
Es finde sich auch keine Rechtsgrundlage für eine Nachversicherung. § 8 des Sechsten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar,
da der Kläger von September 1954 bis November 1957 versicherungspflichtig beschäftigt
gewesen sei.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht
der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Dazu trägt er ua vor:
Zwar werde vom LSG anerkannt, daß er als damaliger Minderjähriger keinen wirksamen
Antrag auf Beitragserstattung habe stellen können, jedoch werde in rechtsfehlerhafter
Weise § 108 BGB entsprechend angewendet. Er habe nachträglich als Volljähriger die
Tragweite seines Beitragserstattungsantrages nicht erkennen und damit diesen auch
nicht konkludent iS von § 108 Abs 3 BGB genehmigen können, da er damals die Konse-
quenzen nicht habe übersehen können. Die Annahme einer Genehmigung der Beitrags-
rückerstattung nach § 108 Abs 3 BGB würde den Minderjährigenschutz ins Gegenteil ver-
kehren. Wegen der besonderen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache schon in
diesem Punkt sei die Revision zuzulassen.
Ferner liege die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auch darin, wie seine
"Zwitterstellung" im damaligen Beschäftigungszeitraum vom 1. Dezember 1957 bis
31. Juli 1961 rechtlich zu bewerten sei. Eine einwandfreie Versicherungsfreiheit ab
1. Dezember 1957 sei nicht ohne weiteres gegeben, zumal er zum Ablauf des 31. Juli
1961 ohne Anwartschaft auf Versorgung aus dieser Beschäftigung ausgeschieden sein.
Im übrigen sei die vom LSG zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom
9. Dezember 1981 für diesen konkreten Sonderfall nicht einschlägig. Die klärungsbedürf-
tige Rechtsfrage sei auch nicht in dem weiter angeführten Urteil des BSG vom 11. Juli
1972 entschieden worden. Diese beziehe sich nicht auf den hier streitbefangenen Fall,
dessen Brisanz und Entscheidungswichtigkeit sich erst im Rahmen seiner Versetzung in
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den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit zum 1. Oktober 1991 herauskristallisiert und ma-
nifestiert habe. Zwar sei nun die Zeit vom 1. Dezember 1957 bis 31. Juli 1961 nachversi-
chert worden, nicht jedoch der davorliegende Zeitraum vom 1. September 1954 bis zum
30. November 1957. Daraus ergebe sich die besondere Rechtsproblematik für ihn und
damit die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Aufgrund dieser Konstellation sei seiner Auffassung nach § 8 Abs 2 SGB VI analog anzu-
wenden. Grundlage für den damaligen Antrag auf Beitragsrückerstattung sei zunächst die
falsche Beratung durch die damaligen Dienstvorgesetzten, ferner seine Unmündigkeit und
die Ungeklärtheit seiner Stellung für den Zeitraum vom 1. Dezember 1957 bis 31. Juli
1961 gewesen. Aufgrund dieser ungeklärten Situation hätte eine Beitragsrückerstattung
auch nicht vorgenommen werden dürfen. Zumindest habe ein Irrtum über die Geschäfts-
grundlage der Beitragsrückerstattung zum damaligen Zeitpunkt vorgelegen, der nicht zu
seinen Lasten gehen dürfe.
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den sich aus
§ 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergebenden
Anforderungen.
Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründen - grundsätzliche
Bedeutung, Abweichung, Verfahrensmangel - zugelassen werden. In der Beschwerdebe-
gründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt und die Ent-
scheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet
werden (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Daran fehlt es hier.
Um die vom Kläger allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache
(vgl § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) darzulegen, ist es zunächst erforderlich, die nach Ansicht des
Beschwerdeführers grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, daß
sie allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitze (vgl BSG SozR
1500 § 160a Nrn 11, 39). Ferner ist darzutun, daß die Rechtsfrage klärungsbedürftig sei.
Das ist zum einen nicht der Fall, wenn die Antwort von vornherein praktisch außer Zweifel
steht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 4, 11). Zum anderen ist auch eine Rechtsfrage, die
das BSG bereits entschieden hat, nicht mehr klärungsbedürftig und kann somit keine
grundsätzliche Bedeutung mehr haben, es sei denn, die Beantwortung der Frage ist aus
besonderen Gründen klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden; das muß sub-
stantiiert vorgetragen werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 13, 65). Schließlich ist
darzulegen, daß die Rechtsfrage in dem einer Zulassung folgenden Revisionsverfahren
entscheidungserheblich und damit auch klärungsfähig sei (vgl BSG SozR 1500 § 160a
Nr 54).
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Diesen Begründungserfordernissen hat der Kläger nicht in vollem Umfang Genüge getan.
Es ist bereits zweifelhaft, ob er eine von ihm als grundsätzlich erachtete Rechtsfrage
deutlich genug gestellt hat, jedenfalls fehlt es an hinreichenden Ausführungen zur Klä-
rungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der von ihm angesprochenen Punkte.
Soweit es die Anwendung des § 108 Abs 3 BGB betrifft, hat es der Kläger zur Darlegung
eines höchstrichterlichen Klärungsbedarfes gänzlich unterlassen, sich mit der dazu ergan-
genen Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes auseinanderzusetzen. Als
höchstrichterlich geklärt muß nämlich eine Rechtsfrage auch dann angesehen werden,
wenn sie zwar vom BSG noch nicht ausdrücklich entschieden worden ist, zur Auslegung
der anzuwendenden Vorschrift aber schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen
sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung dieser Frage geben (vgl BSG SozR
3-1500 § 160 Nr 8; ebenso Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, Rz 117
mwN). Dementsprechend hätte der Kläger in seiner Beschwerdebegründung auf die
Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte zu § 108 Abs 3 BGB eingehen müssen.
Dabei hätte sich folgende Rechtslage ergeben: Zunächst hat das BSG die § 106 ff BGB
bereits im Zusammenhang mit dem Antrag eines nicht voll geschäftsfähigen Versicherten
auf Beitragserstattung nach § 1303 der Reichsversicherungsordnung (RVO) entspre-
chend angewandt (vgl BSG SozR Nr 3 zu § 1613 RVO). Ferner ist eine Genehmigung
nach § 108 Abs 3 BGB - wie insbesondere der Bundesgerichtshof (BGH) bereits ent-
schieden hat - zwar auch durch schlüssiges Verhalten möglich, sie setzt dann jedoch vor-
aus, daß sich der volljährig Gewordene der schwebenden Unwirksamkeit des Rechtsge-
schäfts bewußt gewesen ist oder mindestens mit ihr gerechnet hat (vgl BGHZ 53, 174,
178; BGH LN Nr 4 zu § 108 BGB; ebenso Bundesarbeitsgericht, NJW 1964, 1641, 1643).
Unter diesen Umständen hätte der Kläger möglicherweise eine Abweichung des LSG von
der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung geltend machen können (vgl § 160
Abs 2 Nr 2 SGG), eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache lag hingegen fern.
Soweit der Kläger die Frage seiner Versicherungsfreiheit als Anwärter bei der Deutschen
Bundesbahn für grundsätzlich bedeutsam hält, kann dahingestellt bleiben, ob er ihre Klä-
rungsbedürftigkeit hinreichend dargetan hat, jedenfalls wäre diese Frage nur entschei-
dungserheblich und damit klärungsfähig, wenn der Beitragserstattungsbescheid bei Ver-
neinung einer Versicherungsfreiheit des Klägers in der Zeit ab Dezember 1957 und damit
bei Fehlen der Voraussetzungen des § 1303 RVO, von der Beklagten zurückgenommen
werden müßte. Da das LSG eine Rückgängigmachung der Beitragserstattung auch für
diesen Fall unter Bezugnahme auf Entscheidungen des BSG abgelehnt hat, hätte der
Kläger für diese tragende Begründung ebenfalls einen Zulassungsgrund iS von § 160
Abs 2 SGG ordnungsgemäß geltend machen müssen. Auch insoweit läßt die Beschwer-
debegründung jedoch die gebotene Auseinandersetzung mit der einschlägigen Recht-
sprechung des BSG vermissen. Die bloße Behauptung, die Entscheidungen des BSG
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vom 11. Juli 1972 (BSG SozR Nr 16 zu § 1232 RVO) und 9. Dezember 1981 (BSG SozR
2200 § 1303 Nr 23) seien im konkreten Fall nicht einschlägig, reicht insoweit nicht aus,
um einen weiterhin bestehenden Klärungsbedarf zu begründen, zumal das BSG-Urteil
vom 9. Dezember 1981 durch spätere Entscheidungen bestätigt worden ist (vgl BSG
SozR 2200 § 1744 Nr 17; SozR 2200 § 1303 Nr 26; SozR 1300 § 45 Nr 7). Auch hinsicht-
lich der anderen in diesem Zusammenhang vom Kläger hervorgehobenen
Gesichtspunkte wird nicht deutlich, warum sie einer Heranziehung
dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegenstehen sollen.
Schließlich stellen auch die Ausführungen des Klägers zur analogen Anwendung des § 8
Abs 2 SGB VI und zum "Irrtum über die Geschäftsgrundlage" keine hinreichende Be-
schwerdebegründung dar; sie entbehren insbesondere einer näheren Darlegung der Klä-
rungsbedürftigkeit damit zusammenhängender Rechtsfragen.
Da somit Zulassungsgründe nicht hinreichend dargelegt worden sind, ist die Beschwerde
als unzulässig zu verwerfen. Dem Kläger bleibt die Möglichkeit, das von ihm bean-
spruchte Recht auf Rückabwicklung der im Jahre 1959 erfolgten Beitragserstattung in ei-
nem Verfahren nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) erneut geltend
zu machen.
Die Verwerfung der Beschwerde des Klägers kann in entsprechender Anwendung des
§ 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgen (vgl BSG SozR
1500 § 160a Nrn 1, 5; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.