BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss
in dem Rechtsstreit
Az: B 2 U 396/02 B
Kläger und Beschwerdegegner,
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Unfallkasse Sachsen-Anhalt,
Käsperstraße 31, 39261 Zerbst,
Beklagte und Beschwerdeführerin.
Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat am 14. Februar 2003 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. B. sowie die Richter K.
und B.
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des
Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. September 2002 wird als unzulässig
verworfen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren
zu erstatten.
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Gründe:
Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil des Landessozialge-
richts (LSG) gerichtete, auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und
des Verfahrensmangels gestützte Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Be-
gründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialge-
richtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bun-
dessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, dass der Zulassungsgrund schlüs-
sig dargetan wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 34, 47 und 58; vgl hierzu auch
Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl, 2002, IX,
RdNr 177 und 179 mwN). Daran mangelt es hier.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche
Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muss nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG
diese grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt werden. Hierzu ist zunächst
darzulegen, welcher konkreten abstrakten Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beige-
messen wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 11). Denn die Zulassung der Revision erfolgt
zur Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen und nicht zur weiteren Entscheidung des
Rechtsstreits. Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren
Voraussetzungen für die begehrte Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG prü-
fen zu können (Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 181). Dazu ist erforderlich, dass ausge-
führt wird, ob die Klärung dieser Rechtsfrage grundsätzliche, über den Einzelfall hinaus-
gehende Bedeutung hat. Insbesondere hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass die
Rechtsfrage klärungsbedürftig, also zweifelhaft, und klärungsfähig, mithin rechtserheblich
ist, so dass hierzu eine Entscheidung des Revisionsgerichts zu erwarten ist (BSG SozR
3-1500 § 160 Nr 1; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Zur Klärungsfähigkeit gehört auch,
dass die Rechtsfrage in einem nach erfolgter Zulassung durchgeführten Revisionsverfah-
ren entscheidungserheblich ist (BSG Beschluss vom 11. September 1998 - B 2 U
188/98 B -).
Die Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich
beantwortet ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65)
oder wenn die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz zu ersehen ist (BSG SozR 1300 § 13
Nr 1), wenn sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17), wenn sie prak-
tisch außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4) oder wenn sich für die Antwort in
anderen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben (BSG SozR 3-
1500 § 146 Nr 2 und § 160 Nr 8; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990,
RdNr 117; Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 66). Die Klärungsbedürftigkeit ist schließlich
nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage nicht mehr geltendes Recht betrifft und nicht er-
kennbar wird, dass noch eine erhebliche - genau zu bezeichnende - Anzahl von Fällen
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nach diesen Vorschriften zu entscheiden sind (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 19; Be-
schlüsse des Senats vom 15. September 1986 - 2 BU 104/86 -, vom 23. August 1996
- 2 BU 149/96 -, vom 26. Oktober 1998 - B 2 U 252/98 B - nachfolgend Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 2000 - 1 BvR 2198/98 - sowie vom 29. April
1999 - B 2 U 178/98 B - HVBG-Info 1999, 2943; Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 187)
oder dass die Rechtsfrage für das neue Recht weiterhin von Bedeutung ist (BSG SozR
1500 § 160a Nr 58; Beschlüsse des BSG vom 26. November 1996 - 3 BK 4/96 -,
31. März 1999 - B 7 AL 170/98 B - und 6. Mai 1999 - B 11 AL 209/98 B -).
Die Beklagte hält die Frage für eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage, "ob Strafge-
fangene während des Arbeitseinsatzes zu DDR-Zeiten zum Kreis der in der Sozialver-
sicherung der ehemaligen DDR versicherten Personen gehörten und Unfälle beim Ar-
beitseinsatz entsprechend Arbeitsunfälle nach DDR-Recht waren, oder ob sich unabhän-
gig von dieser Frage bereits aus §§ 6 Abs 2, 3 und 38 StVG ergibt, dass Unfälle von
Strafgefangenen während des Arbeitseinsatzes zu DDR-Zeiten als Arbeitsunfälle nach
den Vorschriften der ehemaligen DDR zu werten waren, mit der Folge, dass im Rahmen
des doppelten Prüfrechts entsprechende Unfälle auch nach dem Recht des Dritten
Buches der RVO zu entschädigen sind". Diese Frage habe über den Einzelfall hinausge-
hende Bedeutung, da allein bei ihr - der Beklagten - noch zahlreiche Parallelfälle anhän-
gig seien. Die aufgezeigte Frage sei klärungsbedürftig, weil das BSG zu diesem
Problemkreis bisher noch nicht Stellung genommen habe. Ihre Beantwortung ergebe sich
auch nicht zweifelsfrei aus dem Gesetz selbst. Sie sei schließlich in einem anschließen-
den Revisionsverfahren auch klärungsfähig und entscheidungserheblich.
Die Beschwerdebegründung der Beklagten entspricht nicht den dargestellten besonderen
Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechts-
frage. Entgegen der bloßen Behauptung der Beklagten steht die Beantwortung der
Rechtsfrage praktisch außer Zweifel, weil sie sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Der
Unfall des Klägers vom 27. Dezember 1985 während eines Arbeitseinsatzes im Rahmen
seiner Strafhaft war Arbeitsunfall der Sozialversicherung der DDR. Durch das Strafvoll-
zugsgesetz der DDR (StVG) vom 7. April 1977 (GBl I Nr 11 S 109) wurde ein Unfallver-
sicherungsschutz während der Haft eingeführt. Dies ergibt sich eindeutig aus den vom
LSG angezogenen Vorschriften der §§ 6 und 38 StVG (vgl Beschluss des Thüringer LSG
vom 25. Februar 2002 - L 1 U 92/01 - HVBG-Info 2002, 2053). Die unter Hinweis auf die
Rechtsauffassungen der für die Strafgefangenen zuständigen Unfallversicherungsträger
in den Ländern Sachsen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern durch die Beklagte ver-
tretene gegenteilige Auffassung erschließt sich dem Senat weder aus den Ausführungen
in ihrer Beschwerdebegründung noch aus ihren Schriftsätzen im Berufungsverfahren.
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Soweit die Beklagte als Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend macht,
das LSG hätte ihrem Vertagungsantrag entsprechen müssen und nicht entscheiden dür-
fen, hat sie diesen Verfahrensfehler nicht schlüssig dargelegt. Ihrem weiteren Vorbringen
ist zu entnehmen, dass einer ihrer Mitarbeiter auf telefonische Anfrage des LSG der Ent-
scheidung nach einer Verhandlung ohne Beteiligung der Beklagten zugestimmt habe und
hilfsweise den Antrag gestellt habe, die Revision zuzulassen. Zwar macht die Beklagte
weiter geltend, der betreffende Mitarbeiter sei mit dem Prozessstoff überhaupt nicht ver-
traut gewesen. Sie hat indes weiter weder vorgetragen, dass dieser Mitarbeiter zur Ab-
gabe der zitierten Erklärung nicht befugt gewesen sei, noch dass dem entscheidenden
Senat des LSG dieser Umstand bekannt gewesen sei.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2
iVm § 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.