BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss
in dem Rechtsstreit
Az: B 8 SO 54/10 B
L 8 SO 132/09 (Bayerisches LSG)
S 10 SO 13/08 (SG Landshut)
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Bezirk Niederbayern,
Gestütstraße 10, 84028 Landshut,
Beklagter und Beschwerdegegner,
beigeladen:
1. Landkreis Passau,
Regensburger Straße 33, 94036 Passau,
2. Deutsche Angestellten-Krankenkasse,
Nagelsweg 27-31, 20097 Hamburg.
Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat am 24. März 2011 durch
die Richter C. , O., und Prof. Dr. S.
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im
Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Juni 2010 wird als
unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
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Gründe:
I
[Abs. 1]
Im Streit ist die Übernahme von Betriebskosten für ein dem Kläger gehörendes, selbst be-
schafftes Kfz im Wege der Eingliederungshilfe.
[Abs. 2]
Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers gegen das klageab-
weisende Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23.4.2009 (S 10 SO 13/08) zurückgewiesen,
weil der Kläger zum Zwecke der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht auf die regelmä-
ßige Benutzung des Kfz angewiesen sei (Urteil vom 29.6.2010, L 8 SO 132/09).
[Abs. 3]
Mit seiner gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegten Beschwerde rügt der Kläger die
Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 62 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm Art 103 Abs 1
Grundgesetz (GG). Die Mitteilung des Klägers an das LSG vom 27.6.2010, er könne an dem
Verhandlungstermin vom 29.6.2010 nicht teilnehmen, weil er nicht über die finanziellen Mittel
zur Bestreitung der Fahrtkosten verfüge, sei als Terminverlegungsantrag auszulegen. Weder
habe das LSG über diesen entschieden, noch habe es Reisekosten gewährt, sodass der mit-
tellose Kläger an der Teilnahme am Termin zur mündlichen Verhandlung gehindert worden sei.
Damit könne die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen, denn es
könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass eine Verletzung des rechtlichen Ge-
hörs, die einen Verfahrensbeteiligten daran gehindert habe, an der mündlichen Verhandlung
teilzunehmen, die daraufhin ergangene Entscheidung beeinflusst habe. Einer Angabe, welches
Vorbringen durch das beanstandete Verfahren verhindert worden sei, bedürfe es nicht.
[Abs. 4]
Der Rechtssache komme auch grundsätzliche Bedeutung zu, weil folgende Fragen grundsätz-
licher Klärung bedürften:
"Sind bei Leistungsberechtigten nach dem vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung) als Versicherungsnehmer einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtver-
sicherung mit eigenem Renteneinkommen die Prämien für die Kraftfahrzeug-
Haftpflichtversicherung nach § 82 Abs 2 Nr 3 SGB XII vom Renteneinkommen absetzbar, wenn
wegen Krankheit oder Behinderung die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich oder
zumutbar ist?
Stellen die §§ 53 Abs 1 Satz 1 und 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 10 Abs 6 Ein-
gliederungshilfe-Verordnung (EinglHV) für die Übernahme der Betriebskosten des Kfz die allei-
nige Anspruchsgrundlage dar?"
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[Abs. 5]
Diese Rechtsfragen seien auch klärungsbedürftig; das Bundessozialgericht (BSG) habe in sei-
nem Urteil vom 18.3.2008 (B 8/9b SO 11/06 R, BSGE 100, 139 = SozR 4-3500 § 82 Nr 4) ent-
schieden, dass die Absetzbarkeit des Versicherungsbeitrags für ein Kfz voraussetze, dass die-
ses zumindest auch für sozialhilferechtlich anerkennte Zwecke genutzt werde, also etwa, weil
die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Fall von Krankheit oder Behinderung eines Mitglieds
der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder unzumutbar sei. Hierbei habe es jedoch offen
gelassen, ob die Kfz-Versicherungsbeiträge überhaupt als angemessene
Versicherungsbeiträge zu verstehen seien und auf die abweichende Ansicht des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 62, 261 ff) verwiesen.
II
[Abs. 6]
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund
des Verfahrensfehlers, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) und
der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), nicht in der erforderlichen Weise be-
zeichnet bzw dargelegt ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Der Senat konnte deshalb über die Be-
schwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG iVm § 169 SGG entscheiden.
[Abs. 7]
Macht der Beschwerdeführer das Vorliegen von Verfahrensmängeln geltend, so müssen bei der
Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) wie bei einer Verfahrensrüge
innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) be-
gründenden Tatsachen substanziiert dargelegt werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34,
36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG
- ausgehend von dessen Rechtsansicht - auf dem jeweiligen Mangel beruhen kann, also die
Möglichkeit der Beeinflussung der Entscheidung besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und
36), es sei denn, es würden absolute Revisionsgründe gerügt, bei denen gemäß § 202 SGG
iVm § 547 Zivilprozessordnung (ZPO) der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar ver-
mutet wird (BSGE 4, 281, 288; BSG SozR 1500 § 136 Nr 8).
[Abs. 8]
Der Kläger hat mit seinem Vorbringen einen Verfahrensmangel wegen Verletzung des recht-
lichen Gehörs nach § 62 SGG und Art 103 Abs 1 GG nicht hinreichend bezeichnet. Das Gebot
des rechtlichen Gehörs hat auch zum Inhalt, dass die Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur
Abgabe sachgemäßer Erklärungen haben müssen (BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 5; BSG SozR
1500 § 128 Nr 24). Wird aufgrund mündlicher Verhandlung, dem "Kernstück" des gerichtlichen
Verfahrens (BSGE 44, 292, 293 = SozR 1500 § 124 Nr 2) entschieden, müssen die Beteiligten
die Möglichkeit haben, hieran teilzunehmen. Dem Anspruch auf rechtliches Gehör ist dabei in
der Regel bereits dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt
(§ 110 Abs 1 Satz 1 SGG), der Beteiligte bzw sein Prozessbevollmächtigter ordnungsgemäß
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geladen und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird (BSG,
Urteil vom 28.4.1999, B 6 KA 40/98 R, USK 99111, RdNr 16). Dass der Kläger an der
Teilnahme der mündlichen Verhandlung gehindert wurde, trägt er nicht schlüssig vor. Dem
Schreiben des Klägers vom 27.6.2010 lässt sich insbesondere kein Terminverlegungsantrag
oder ein Antrag auf Gewährung eines Reisekostenzuschusses entnehmen, sondern allein die
Bitte um Verständnis im Falle seiner Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung. Warum
das Schreiben dennoch als Verlegungsantrag auszulegen war, erläutert der Kläger nicht.
[Abs. 9]
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft,
die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit und der Fortbildung des
Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer
muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichter-
lichen Rechtsprechung - ggf sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfragen sich stel-
len, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechts-
fragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und
dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (BSG SozR 1500 § 160
Nr 17; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Um seiner Darlegungspflicht zu
genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte)
Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die
über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so
genannte Breitenwirkung) darlegen. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung
nicht.
[Abs. 10]
Insbesondere ist die Klärungsfähigkeit nicht ausreichend dargelegt. Das LSG hat die Über-
nahme der Betriebskosten für das dem Kläger gehörende Kfz im Zusammenhang mit Leistun-
gen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft geprüft, weil der Kläger Eingliederungshilfe
beantragt hat. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht er hingegen geltend, dass ihm ange-
sichts der Anrechenbarkeit der "angemessenen" Versicherung höhere Leistungen nach §§ 41 ff
Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) zustehen. Zur Darlegung der Klä-
rungsfähigkeit hätte er sich dann aber mit den unterschiedlichen Streitgegenständen und mit
insoweit (ggf) bestandskräftigen Bescheiden des Beigeladenen zu 1., der für Leistungen der
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zuständig wäre, auseinandersetzen müs-
sen. Dies hat er jedoch nicht getan.
[Abs. 11]
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.