Das Folgende ist zunächst ein Auszug aus der Entscheidung vom 12.03.1996 über den Prozesskostenhifeantrag im Hauptverfahren. Zur Entscheidung vom 18.06.1996 im Hauptverfahren siehe unten.
Prozesskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil der Kl. nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, die Kosten der Prozeßführung aus seinem Vermögen aufzubringen (§ 73 a I 1 SGG iVm §§ 114, 115 II ZPO). Zum Vermögen eines Antragstellers gehören Ansprüche gegen eine Rechtsschutzversicherung (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 73 a Rz 6 a) und ebenso ein satzungsgemäßer Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch eine Gewerkschaft oder einen Verband (Henning/Danckwerts/König, SGG, Stand 1993, § 73 a Anm 5.3). Da Prozeßkostenhilfe eine besondere Art der Sozialhilfe auf dem Gebiet gerichtlichen Rechtsschutzes ist (BverfGE 9, 256, 258; 35, 348, 355), ist ein Antragsteller wegen des für Sozialhilfe und Prozeßkostenhilfe gleichermaßen geltenden Subsidiaritätsprinzips verpflichtet, die dem Justizfiskus durch Prozesskostenhilfe entstehenden Ausgaben gering zu halten. Ein Gewerkschafts- oder Verbandsmitglied muss deshalb zunächst seine satzungsgemäßen Rechte auf kostenlose Prozeßvertretung ausschöpfen und erwirbt einen Anspruch auf Prozeßkostenhilfe erst, wenn die Gewerkschaft oder der Verband keinen Rechtsschutz gewährt. Die Lage eines solchen Mitglieds ist nicht anders als die eines rechtsschutzversicherten Antragstellers, dem Prozesskostenhilfe erst gewährt wird, wenn er seinen Anspruch gegen die Rechtsschutzversicherung evtl bis zu einem Stichentscheid nach § 17 II der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) vergeblich verfolgt hat. (BGH, Betriebsberater 1987, 1845; Baumbach/Lauterbach, ZPO. 53. Aufl 1995 § 114 Rz 67; Rohwer/Kahlmann, SGG, Stand 1995, § 73 a Rz 3).
Die Lage eines Verbands- oder Gewerkschaftsmitglieds unterscheidet sich allerdings von der eines rechtsschutzversicherten Antragstellers, wenn die jeweilige Organisation Rechtsschutz im Einzelfall gewährt: Der Versicherungsnehmer kann dann einen Rechtsanwalt seines Vertrauens wählen, dessen Kosten die Versicherung übernimmt. Der Verband oder die Gewerkschaft dagegen gewährt Rechtsschutz durch einen ihrer Angestellten als „Sachleistung“. Hat der Antragsteller zu dem ihm vom Verband oder der Gewerkschaft gestellten Vertreter kein Vertrauen, so kann es ihm unzumutbar sein, sich bei der Prozessführung durch diesen Angestellten vertreten zu lassen. Dafür reicht allerdings die bloße Behauptung fehlender oder – im Laufe der Vertretung – gestörten Vertrauens nicht aus. Ebenso wie beim Wechsel eines frei gewählten und im Rahmen der Prozeßkostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts sind berechtigte sachliche oder persönliche Gründe erforderlich (vgl dazu Kalthoener/Büttner, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 1988, Rz 569; LSG NRW, ZAP EN-Nr 154/92; zu § 167 SGG aF: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 252 r, Dapperich, Das sozialgerichtliche Verfahren, 1959, 209; BSG, Ausschuß für Verfahrensfragen, Niederschrift vom 6.2.1957, Punkt 1 – unveröffentlicht - ). Solche triftigen Gründe hat der Kl. nicht vorgebracht. Die von ihm geschilderten Eindrücke und Erfahrungen aus einem anderen Rechtsstreit, in dem er von einem Rechtsschutzsekretär seiner Gewerkschaft vertreten war, lassen zwar seine Unzufriedenheit mit dessen Tätigkeit erkennen, reichen nach Art und Gewicht aber nicht aus, um das Vertrauensverhältnis als allgemein und damit auch für diesen Fall gestört anzusehen. Das gilt um so mehr, als der Kl. im Revisionsverfahren voraussichtlich von einem Mitglied der bisher nicht eingeschalteten Bundesrechtsstelle seiner Gewerkschaft vertreten werden würde.
Ein Anspruch des Kl. auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der von ihm ausgewählten und bevollmächtigten Rechtsanwältin läßt sich (entgegen Meyer-Ladewig, aao, Rz 4) auch nicht daraus herleiten, daß § 73 a II SGG nach seinem Wortlaut die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe verbietet, wenn der Bet. durch einen Angestellten seines Verbands oder seiner Gewerkschaft tatsächlich vertreten ist, nicht nur, wenn er sich vertreten lassen kann, wie § 11 a Arbeitsgerichtsgesetz bestimmt. Aus der unterschiedlichen Formulierung der Gesetze läßt sich nicht herleiten, daß das Recht auf Prozeßkostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren weiter geht als im arbeitsgerichtlichen Verfahren (so aber Meyer-Ladewig, aaO, Rz 4). Für eine unterschiedliche Regelung gibt es keinen sachlichen Grund (so zutreffend Zeihe, SGG, Stand 1994, § 73 a Rz 11 a). § 73 a II SGG ist deshalb nur als klarstellendes Verbot zu verstehen, dem mittellosen Bet. zusätzlich zu einem bereits bevollmächtigten Verbands- oder Gewerkschaftsvertreter im Wege der Prozeßkostenhilfe noch einen Anwalt beizuordnen. Die Vorschrift besagt jedoch nichts darüber, was gilt, wenn ein Verbandsvertreter noch nicht bevollmächtigt ist, aber in Anspruch genommen werden kann.
Hätte das mittellose Gewerkschaftsmitglied die Wahl zwischen kostenlosem gewerkschaftlichen Rechtsschutz und der Beiordnung eines frei gewählten Rechtsanwalts (so Meyer-Ladewig, aaO, Rz 4; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, 203), so stände es besser als ein Bet., der über genügend Mittel zur Prozeßführung durch einen Rechtsanwalt verfügt. Dieser Bet. würde in aller Regel verständigerweise aus wirtschaftlichen Gründen das Kostenrisiko meiden und sich regelmäßig für kostenlosen Rechtsschutz durch einen Verbandsvertreter entscheiden. Es besteht deshalb kein Grund, dem finanziell minderbemittelten Bet. aus staatlichen Mitteln die Wahlfreiheit zu finanzieren, die der bemittelte Bet. verständigerweise nicht in Anspruch nimmt.
Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, daß ein mittelloses Gewerkschaftsmitglied mit Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch seine Organisation anders behandelt wird, als ein mittelloser Antragsteller, der nicht organisiert ist. Ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art 3 I Grundgesetz (GG) liegt darin nicht. Art 3 I GG verlangt iVm dem Rechtsstaatsprinzip lediglich die Situation bemittelter und Unbemittelter bei der Realisierung gerichtlichen Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen (vgl BverfGE 81, 347, 356, NJW 1995, 1415). Darum geht es hier nicht. wer Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz durch seine Organisation hat, ist nicht mittellos. Er ist bereits in jener Lage, in die Prozeßkostenhilfe den Unbemittelten erst versetzen soll: Er kann sein Recht vor Gericht suchen, ohne daran aus wirtschaftlichen Gründen gehindert zu sein. Dafür macht es keinen Unterschied, ob ihn ein Angestellter seiner Organisation oder ein Rechtsanwalt vertritt. Gerichtlicher Rechtsschutz ist auf dem Gebiet des Sozialrechts bereits bei Vertretung durch eine Behörde gewährleistet (BverfGE 22, 349, 358) und erst recht bei Vertretung durch Verbands- oder Gewerkschaftsangestellte, denen der Gesetzgeber in § 166 II SGG Rechtsanwälte gleichgestellt hat. Das Recht, unter letzteren zu wählen (§ 121 I ZPO), hat nur, wer überhaupt Anspruch auf Prozeßkostenhilfe hat.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die prozeßkostenhilferechtliche Sonderstellung mittelloser Gewerkschafts- und Verbandsmitglieder mit Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz gegen ihre Organisation lassen sich auch nicht aus Art 9 I und III GG herleiten. Durch den regelmäßigen Ausschluß vom Anspruch auf Prozesskostenhilfe wird weder die kollektive Vertragsfreiheit noch die Tätigkeit der Gewerkschaft (vgl BverfGE 88, 5, 15) noch die Entscheidungsfreiheit des einzelnen, einem Verband oder einer Gewerkschaft beizutreten, ernsthaft beeinträchtigt. Es kann zwar unterstellt werden, daß der einem Organisierten regelmäßig drohende Verlust einer aus öffentlichen Mitteln finanzierten Prozeßkostenhilfe die Entscheidungsfreiheit Mittelloser darüber beeinflußt, einer Gewerkschaft oder einem Verband wegen des dort gebotenen Rechtsschutzes beizutreten. Diese allenfalls geringfügigen Auswirkungen sind aber in Abwägung mit dem Ziel hinzunehmen, Prozeßkostenhilfe nur demjenigen zu gewähren, der sonst aus wirtschaftlichen Gründen gehindert wäre, gerichtliche Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
BUNDESSOZIALGERICHT
Im Namen des Volkes
Urteil
in dem Rechtsstreit
Az: 9 RV 24/94
Kläger und Revisionsbeklagter,
Prozeßbevollmächtigte:
gegen
Land Sachsen-Anhalt,
vertreten durch den Präsidenten des Landesamtes für Versorgung und Soziales des
Landes Sachsen-Anhalt,
Halle, Neustädter Passage 9,
Beklagter und Revisionskläger.
Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni
1996 durch Vorsitzenden Richter Dr. S.,
Richter Dr. K. und Richter D a u sowie ehrenamtliche Richterin K.
und ehrenamtlichen Richter B. für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt
vom 11. Oktober 1994 wird zurückgewiesen.
- 2 -
Der Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
- 3 -
Gründe:
I
Der damals neun Jahre alte Kläger fand am 1. Juni 1950 beim Spielen auf dem Gelände
einer ehemaligen Munitions- und Sprengstoffabrik in R. (S -A.) einen
Sprengkörper. Bei dessen Explosion verlor der Kläger Daumen, Zeige- und Mittelfinger
der linken Hand sowie einen Teil der Handfläche.
Der Beklagte lehnte es ab, dem Kläger auf dessen Antrag vom 4. Juni 1992 Versorgung
zu gewähren, weil der Unfall weder auf nachträgliche Auswirkungen kriegerischer
Vorgänge noch auf Handeln der Besatzungsmacht zurückzuführen sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 1. November
1993). Das Landessozialgericht (LSG) hat den Beklagten verurteilt, ab 1. Januar 1991
Versorgung nach einer rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu
gewähren (Urteil vom 11. Oktober 1994). Bei der Explosion des Sprengkörpers habe es
sich um einen schädigenden Vorgang infolge einer besonderen Gefahr aus der
militärischen Besetzung deutschen Gebietes gehandelt. Die sowjetische
Besatzungsmacht habe das Fabrikgelände beschlagnahmt, um die Anlagen zu
demontieren und anschließend die Gebäude zu sprengen, ohne das 320 ha große
Grundstück, dessen Umzäunung von der Bevölkerung für eigene Zwecke abgebaut war,
bis zur Übergabe an das Land Sachsen-Anhalt im März 1949 gegen Betreten durch
spielende Kinder zu sichern oder die dort lagernden Sprengstoffe zu räumen. Einer
weiteren Vernachlässigung dieser Pflichten durch das Land Sachsen-Anhalt bis zum
Unfall im Jahre 1950 komme gegenüber dem unmittelbaren Besatzungseinfluß
geringeres Gewicht zu.
Der Beklagte macht mit seiner - vom LSG zugelassenen - Revision geltend, das LSG
habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und §1 Abs 1 Buchst d
Bundesversorgungsgesetz (BVG) verletzt. Die unterlassene Sicherung des Fabrik-
geländes sei allein dem Land Sachsen-Anhalt zuzurechnen. Nach der Rechtsprechung
(BSGE 20, 114, 115) seien Gefahrenzustände nicht mehr der Besatzungsmacht, sondern
ab Aufgabenübertragung auf eine in Mindestform und -umfang funktionsfähige
Zivilverwaltung dieser zuzurechnen.
Das LSG habe im übrigen verkannt, daß nach der Rechtsprechung (BSGE 2, 99, 101,
102) nicht jede mit der Besatzung ursächlich zusammenhängende Gefahr unter § 5 Abs 1
Buchst d BVG falle. Nur "besatzungseigentümliche" Gefahren seien gemeint. Die
Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sei hier aber nicht besatzungseigentümlich.
- 4 -
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 11. Oktober 1994
aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Dessau vom 1. November 1993 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger ist durch unmittelbare Kriegseinwirkung
geschädigt worden; er hat wegen der Folgen dieser Schädigung Anspruch auf
Versorgung. Leistungen sind nach Anl I Kap VIII Sachgebiet K Abschn III Maßgabe 1 i
zum Einigungsvertrag ab 1. Januar 1991 zu gewähren, weil die Voraussetzungen zu
diesem Zeitpunkt vorgelegen haben und der Antrag vor dem 1. Januar 1994 gestellt
worden ist.
Das LSG hat zwischen dem Verhalten der sowjetischen Besatzungsmacht und der
Schädigung des Klägers zu Recht einen versorgungsrechtlich erheblichen Zusam-
menhang hergestellt. Die dagegen gerichteten Angriffe des Klägers bleiben ohne Erfolg.
Zwar trifft der Einwand des Beklagten zu, daß das Verhalten der Besatzungsmacht,
entgegen den Ausführungen des LSG, nicht deshalb als unmittelbare Kriegseinwirkung
gilt, weil es eine mit der militärischen Besetzung deutschen Gebietes
zusammenhängende besondere Gefahr iS des § 5 Abs 1 Buchst d BVG hervorgerufen
hätte. Denn dazu zählen nicht alle mit der militärischen Besetzung verbundenen
Gefahren, sondern aus diesem Kreis nur solche, die für die besonderen Verhältnisse der
militärischen Besetzung typisch sind (BSGE 12, 13, 15).
Nicht besetzungseigentümlich und deshalb vom Versorgungsschutz ausgenommen sind
schädigende Vorgänge, die ihrer Art nach ebenso hätten eintreten können, wenn sie
durch Maßnahmen oder Unterlassungen der deutschen Verwaltung statt durch die
Besatzungsmacht verursacht worden wären (BSGE 17, 225, 229 = SozR BVG § 1 Nr 62).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Das Gebot, das munitionsverseuchte Fabrikgrundstück
gegen Betreten durch spielende Kinder zu sichern, wurde sowohl von der sowjetischen
Besatzungsmacht während der Zeit der Beschlagnahme, als auch anschließend nach
Übertragung des Eigentums im März 1949 von der Verwaltung des Landes
Sachsen-Anhalt verletzt. Diese Verletzung der Verkehrssicherungspflicht war mithin nicht
besetzungseigentümlich.
- 5 -
Gleichwohl hat der Kläger Anspruch auf Versorgung wegen der Verletzungsfolgen. Denn
versorgungsrechtlich geschützt ist auch, wer einen nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu
ersetzenden Besatzungspersonenschaden zu einem Zeitpunkt erleidet, zu dem eine
Regelung für die Entschädigung von Besatzungsschäden noch nicht vorhanden war. Das
Versorgungsrecht schließt diese zivilrechtliche Anspruchslücke, indem es Schäden, die
durch Angehörige der Besatzungsmacht verursacht worden sind, zu nachträglichen
Auswirkungen kriegerischer Vorgänge erklärt (§ 5 Abs 2 Buchst a BVG), die ihrerseits als
unmittelbare Kriegseinwirkung iS des § 1 Abs 2 Buchst a BVG gelten (§ 5 Abs 1 Buchst e
BVG).
In den westlichen Besatzungszonen bestand diese Lücke nur bis zum 31. Juli 1945. Denn
für Besatzungsschäden, die vom 1. August 1945 an verursacht worden sind, galt das
Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden vom 1. Dezember 1955 (BGBl I, 734;
vgl dessen § 2).
In der DDR wurde eine Entschädigungsregelung für Besatzungspersonenschäden erst
eingeführt durch das Abkommen vom 11. April 1957 zwischen der Regierung der DDR
und der Regierung der UdSSR über Fragen, die mit der zeitweiligen Stationierung
sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der DDR zusammenhängen (GBl I 237).
Dieses Abkommen ist nach seinem Art 21 Satz 2 am 27. April 1957 in Kraft getreten
(GBl I 285). Bis dahin eingetretene Schädigungen durch Angehörige der sowjetischen
Streitkräfte stehen in engem Zusammenhang mit Krieg und Besatzung und fallen deshalb
unter §5 Abs 2 Buchst a BVG. Das entspricht auch der Auffassung des
Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (vgl dessen Rundschreiben vom
10. Juni 1991, BArbBl 1991, 9/108). Die sowjetischen Truppen waren bis dahin als Streit-
kräfte einer Besatzungsmacht iS des § 5 Abs 2 Buchst a BVG in der DDR stationiert. Der
Senat hat die sowjetische Besatzungsherrschaft in einer früheren Entscheidung zwar
bereits durch den Vertrag vom 20. September 1955 über die Beziehungen zwischen der
DDR und der UdSSR, in Kraft getreten am 6. Oktober 1955 (GBl I 917), für beendet
gehalten und deshalb Versorgungsansprüche nach § 5 Abs 2 Buchst a BVG wegen eines
erst 1965 durch sowjetische Soldaten in der DDR verursachten Verkehrsunfalls
ausgeschlossen (BSGE 59, 94, 97 = SozR 3100 § 5 Nr 9). Maßgeblich hat der Senat aber
schon damals darauf abgestellt, daß die sowjetischen Truppen in der DDR ihre Stellung
und ihre Befugnisse als Besatzungsmacht durch die Bestimmungen des Vertrages vom
11. April 1957 endgültig verloren haben.
Die Verletzung des Klägers am 1. Juni 1950 ist nach den Feststellungen des LSG eine
Schädigung iS des § 5 Abs 2 Buchst a iVm Abs 1 Buchst e BVG. Daß das LSG diese
Feststellungen im Zusammenhang mit der Erörterung des § 5 Abs 1 Buchst d BVG
getroffen hat, steht nicht entgegen. Der Schaden ist durch Angehörige der sowjetischen
Besatzungsmacht in der DDR verursacht worden. Deren Verhalten war für den Unfall
- 6 -
wesentliche Bedingung iS der auch hier geltenden versorgungsrechtlichen
Kausalitätsnorm (BSG SozR BVG § 5 Nr 35). Das LSG hat unangegriffen festgestellt, daß
der Unfall des Klägers im vorgenannten Sinne nicht auf dessen eigenes Verhalten oder
das Verhalten seiner Eltern zurückzuführen war, sondern auf eine Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht. Dabei hat es der Pflichtverletzung durch das Land
Sachsen-Anhalt nur untergeordnete Bedeutung beigemessen und den Unfall des Klägers
wesentlich auf die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die sowjetische
Besatzungsmacht in den Jahren 1945 bis 1949 zurückgeführt. Bei dieser Bewertung sind
Rechtsfehler nicht zu erkennen. Seit März 1949 war zwar das Land Sachsen-Anhalt als
Eigentümer und Eigenbesitzer für den verkehrssicheren Zustand des Grundstücks
verantwortlich. Damit endete aber nicht die Verantwortlichkeit der sowjetischen
Besatzungsmacht als früherer Eigenbesitzer. Grundsätzlich trifft die
Zustandsveranwortlichkeit für Grundstücke den gegenwärtigen Eigenbesitzer. Davon ist in
sinnentsprechender Anwendung der für den Einsturz von Gebäuden getroffenen
Regelung des § 836 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aber eine Ausnahme zu
machen (vgl Mertens in Münchner Komm, 2. Aufl 1986, § 823 Rz 192). Der frühere
Eigenbesitzer bleibt jedenfalls übergangsweise verantwortlich, wenn er die von dem
Grundstück ausgehende Gefahr durch vorangegangenes Handeln oder Unterlassen
begründet hat. Die Übergangszeit kann auch angesichts der Nachkriegsverhältnisse nicht
auf ein Jahr beschränkt werden, wie das § 836 Abs 2 BGB vorsieht. Die sowjetische
Besatzungsmacht hatte es hingenommen, daß in den Jahren ab 1945 die Umzäunung
des von ihr beschlagnahmten Fabrikgeländes von der Bevölkerung abgebaut und damit
das vorher gesicherte Grundstück zu einer Gefahrenquelle für spielende Kinder geworden
war. Die Umzäunung wurde bis zum März 1949 weder erneuert oder repariert noch wurde
die massenhaft herumliegende Munition geräumt. Im März 1949 hat sich die
Besatzungsmacht dann des heruntergekommenen, munitionsverseuchten Grundstücks
zu Lasten einer Gebietskörperschaft entledigt, die unter den Mangelverhältnissen der
Nachkriegszeit mit Aufgaben überlastet war und schwerlich in kurzer Zeit das nachholen
konnte, was jahrelang versäumt worden war und den gefährlichen Zustand des
Grundstücks begründet hatte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.