BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss
in dem Rechtsstreit
Az: B 1 KR 155/06 B
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Barmer Ersatzkasse,
Lichtscheider Straße 89-95, 42285 Wuppertal,
Beklagte und Beschwerdegegnerin.
Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 24. Januar 2007 durch den
Präsidenten von Wulffen sowie die Richter Prof. Dr. Schlegel
und Dr. Hauck
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil
des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. November 2006 wird als
unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
- 2 -
Gründe:
I
[Abs. 1] Der bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger ist mit seinem Begehren, 1.410 € Kosten
einer Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zur Abklärung des Vorhandenseins von Rezi-
diven oder Metastasen seines operierten Adenokarzinoms des Rektums erstattet zu erhalten, in
den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung
ua ausgeführt, der frühere Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen und jetzige
gemeinsame Bundesausschuss habe die neue Untersuchungsmethode im Zeitpunkt der
Behandlung nicht empfohlen gehabt. Auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) vom 6. 12. 2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) könne
sich der Kläger nicht stützen, da es als Behandlungsalternative zunächst geboten gewesen sei,
eine Kernspintomographie (MRT) durchzuführen. Das Bestehen eines Erstattungsanspruchs
könne auch nicht von nachträglichen Umständen - wie den durch die Tomographien (MRT und
PET) gewonnenen Erkenntnissen - abhängig sein (Urteil vom 2. 11. 2006).
[Abs. 2] Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-
Urteil und beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits, Divergenz und Ver-
fahrensfehler.
II
[Abs. 3] Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozial-
gerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2
Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisions-
zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung, der Divergenz und des Verfahrensfehlers
(Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 Nr 1, 2 und 3 SGG).
[Abs. 4] 1. Die Beschwerde legt den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht hinreichend
dar. Den Darlegungserfordernissen an eine Grundsatzrüge genügt eine Nichtzulassungsbe-
schwerde nur dann, wenn eine Rechtsfrage klar formuliert und ausgeführt wird, inwiefern diese
Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig
und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38;
BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die
Beschwerde sieht folgende Fragen als grundsätzlich bedeutsam an:
"1) Setzt eine Eintrittspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung außerhalb des Leis-
tungskatalogs gemäß den Grundsätzen der Entscheidung des BVerfG vom
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6. Dezember 2005 ausnahmslos und in jedem Fall voraus, dass zuvor das
- theoretische - Spektrum der im Leistungskatalog enthaltenen Behandlungs-/Unter-
suchungsmethoden durchgeführt wurde, oder kommt es entscheidend auf deren
Geeignetheit und Erfolgsaussichten im konkreten Fall an?
2) Ist es dem Patienten in den unter 1) genannten Fällen verwehrt, die fehlende Geeig-
netheit bzw Erfolgsaussicht der im Leistungskatalog enthaltenen Methoden dadurch
nachzuweisen, dass er diese nach Inanspruchnahme der streitgegenständlichen
Behandlung noch durchführen lässt und sich deren Erfolglosigkeit ergibt?"
[Abs. 5] Die Beschwerde hält zudem die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "wie die vom BVerfG in der
oa Entscheidung aufgestellten Grundsätze im Falle von Diagnostikmethoden umzusetzen sind".
[Abs. 6] Hinsichtlich der Fragen zu 1) und 2) bedarf es keiner Entscheidung, ob damit eine Rechtsfrage
hinreichend klar bezeichnet ist, denn die Beschwerde geht jedenfalls nicht hinreichend auf die
Klärungsbedürftigkeit der Fragen ein. Ist eine Frage bereits von der höchstrichterlichen Recht-
sprechung entschieden, ist sie grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig (vgl zB BSG SozR
3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52). Soll gleichwohl eine
grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend gemacht werden, obliegt es dem
Beschwerdeführer darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher
Begründung der Rechtsprechung widersprochen worden ist bzw die Anforderungen der
Rechtsfrage umstritten sind (vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52 mwN). Daran fehlt es.
Die Beschwerde setzt sich nicht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander,
wonach es für die Prüfung der Frage, ob eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard
entsprechende Behandlung zur Verfügung steht, auf die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls
ankommt (vgl zB BSG, Urteil vom 4. 4. 2006 - B 1 KR 7/05 R - SozR 4-2500 § 31 Nr 4,
RdNr 21, 31, Tomudex; BSG, Urteil vom 26. 9. 2006 - B 1 KR 1/06 R - RdNr 26 ff, - Ilomedin,
zur Veröffentlichung vorgesehen mwN). Die Beschwerde geht auch nicht auf die
Rechtsprechung ein, wonach für die fehlende Geeignetheit oder Erfolgsaussicht einer
Behandlungsmethode auf den Zeitpunkt der Behandlung, nicht aber auf einen späteren
Zeitpunkt abzustellen ist (vgl zB BSG, Urteil vom 4. 4. 2006 - B 1 KR 12/05 R - RdNr 23 mwN -
interstitielle Brachytherapie, zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG, Urteil vom 7. 11. 2006 - B 1
KR 24/06 R - RdNr 15, LITT, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Beschwerde hat sich
schließlich auch nicht mit derjenigen Rechtsprechung auseinandergesetzt, nach welcher im
Rahmen der Würdigung der voraussichtlichen Erfolgschancen einer Methode zu
Behandlungsbeginn auch später publizierte Kenntnisse Berücksichtigung finden können, soweit
diese im Behandlungszeitpunkt bereits vorgelegen haben (vgl zB BSG, Urteil vom 26. 9. 2006 -
B 1 KR 1/06 R - RdNr 25, 27 - Ilomedin, zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG, Urteil vom
7. 11. 2006 - B 1 KR 24/06 R - RdNr 32 ff, LITT, zur Veröffentlichung vorgesehen).
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[Abs. 7] Mit der dritten Frage hat die Beschwerde demgegenüber bereits eine Rechtsfrage nicht hinrei-
chend klar formuliert, sondern lediglich eine generelle Problematik aufgezeigt, vergleichbar
etwa mit dem - ebenfalls nicht ausreichenden - Vorbringen, eine Norm sei verfassungswidrig
(vgl zu Letzterem zB BSG, Beschluss vom 22. 7. 1993 - 11 BAr 5/92; BSGE 40, 158 = SozR
1500 § 160a Nr 11; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 45). Zudem hat sich die Beschwerde auch
insoweit nicht mit der Klärungsbedürftigkeit in Würdigung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung auseinander gesetzt, ebenso wenig wie mit der Entscheidungserheblichkeit
der Frage.
[Abs. 8] 2. Soweit sich die Beschwerde auf den Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG beruft und
geltend macht, das LSG-Urteil sei vom Beschluss des BVerfG vom 6. 12. 2005 (aaO) abge-
wichen und beruhe auf dieser Abweichung, fehlt es an § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügenden
Darlegungen. Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss entscheidungstragende ab-
strakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einer höchstrichterlichen
Entscheidung andererseits gegenüberstellen und begründen, weshalb diese miteinander unver-
einbar seien (vgl zB BSG, Beschluss vom 27. 6. 2005 - B 1 KR 43/04 B; BSG, Beschluss vom
18. 7. 2005 - B 1 KR 110/04 B mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichen-
den Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa lediglich nur fehlerhaft das Recht angewendet hat
(vgl zB BSG, Beschluss vom 15. 1. 2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160
Nr 26 S 44 f). An der Darlegung eines vom LSG bewusst abweichend aufgestellten Rechtssat-
zes fehlt es. Das LSG hat ausgeführt, der Kläger könne sich nicht auf den Beschluss des
BVerfG vom 6. 12. 2005 (aaO) stützen, da eine schulmedizinische Behandlungsmethode zur
Verfügung gestanden habe. Es sei zunächst geboten gewesen, eine Kernspintomographie
durchzuführen. Wieso die Beschwerde ausgehend von diesen rechtlichen Überlegungen des
LSG zu der Ansicht gelangt, das LSG habe die Auffassung vertreten, alle Behandlungsalterna-
tiven müssten vorab - ungeachtet ihrer Erfolgsaussicht und Geeignetheit im konkreten Fall -
abgespult worden sein, bevor die Rechtsprechung des BVerfG greife, hat sie nicht dargelegt.
Im Kern wendet sich die Beschwerde insoweit vielmehr gegen die Feststellung des LSG, die
Durchführung einer Kernspintomographie sei vorrangig geboten gewesen. Damit legt sie aber
nicht eine Divergenz im Rechtssinne dar.
[Abs. 9] 3. Mit ihrem Vorbringen, das LSG hätte ein Sachverständigengutachten zur Eignung und zum
Erfolg einer Kernspintomographie und zur Überlegenheit der PET einholen müssen, legt die Be-
schwerde ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 103 SGG) nicht hinreichend dar. Nach
§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend ge-
macht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Ver-
fahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf
eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag be-
zieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Danach hätte die Be-
schwerde im Einzelnen aufzeigen müssen, dass ein Beweisantrag in der Sitzungsniederschrift
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protokolliert oder im Urteilstatbestand aufgeführt worden ist, den das Gericht übergangen hat
(vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 20; SozR 1500 § 160 Nr 64). Entsprechender Vortrag fehlt.
Stellt ein anwaltlicher Bevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung beim LSG - wie im Falle
des Klägers - nur noch einen Sachantrag, darf das Gericht davon ausgehen, dass andere,
zuvor schriftsätzlich gestellte Beweisanträge nicht weiter verfolgt werden sollen (vgl BSG SozR
4-1500 § 160 Nr 1 S 2).
[Abs. 10] 4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 3 SGG).
[Abs. 11] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.