BUNDESGERICHTSHOF
VIII ZR 298/83
BESCHLUSS
in dem Rechtsstreit
der Firma S. G.. de B. S.A., Aktiengesellschaft
belgischen Rechts, , M. du P., B., vertreten durch
ihren Vorstand, Albert C., Rene L., Yves B., Comte Eric
de V. de C, ebenda, diese vertreten durch die
B. Bank, Niederlassung K., der S. G. de
B. S.A,, Z.straße in K, vertreten durch
die Geschäftsleitunq, Dr. Jürgen D., Georges N.,
Kägerin und Revisionsklägerin
Prozeßbevollmächtiqter: Rechtsanwalt Dr.
den Kaufmann Mohammed Reza M.-Z., Inhaber der Handels-
firma M. Bros., G. B. in H. ,
Beklagten und Revisionsbeklagten,
Prozeßbevollmächtigte Rechtsanwälte Dr. und ,
IT. Instanz: in
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Der VIII Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den
Vorsitzenden Richter B. und die Richter T., Dr. Z.,
Dr. P. und G.
am 30. Mai l984
beschlossen:
Der Antrag des Beklagten, ihm unter Beiordnung
seiner zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten
Prozeßkostenhilfe für das beabsichtigte Verfahren
zur Bewilligung der Prozeßkostenhilfe zu gewähren,
wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte beantragt, ihm Pro-
zeßkostenhilfe für das Verfahren zur Bewilligung von Prozeßko-
stenhilfe für das Revisionsverfahren zu gewähren und ihm dafür
seine zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten beizuordnen.
Nach Bewilligung beabsichtigt er, Prozeßkostenhilfe für seine
Rechtsverteidigung in der Revisionsinstanz und für eine unsel-
bständige Anschlußrevision zu beantragen.
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II. 1. Unter der Geltung des Armenrechts und auch nach
Einführung der Prozeßkostenhilfe war und ist in Rechtsprechung
und Literatur umstritten, ob im Prozeßkostenhilfe- (bzw. im
Armenrechts-) Bewilligungsverfahren Prozeßkostenhilfe (bzw.
Armenrecht) gewährt werden kann (vgl. ablehnend: OLG Schleswig
SchlHA 1978, 75; OLG Hamburg FamRZ 1978, 936; OLG Bremen JurBüro
1979, 447; OLG Karlsruhe AnwBl 1980, 198; OLG Düsseldorf JurBüro
1981, 773; OLG Nürnberg NJW 1982, 288; OLG Hamm FamRZ 1982, 623;
KG FamRZ 1982, 831; Schneider MDR 1981, 793; Pentz NJW 1982,
1269; Thomas/Putzo, ZPO, 12. Aufl. § 114 Anm. 1; Wieczorek,
ZPO, 2. Aufl. § 114 Rdn. A II; Zöller/Schneider, ZPO,
13. Aufl. Anm. I 1 b; ders. Vorbem. § 114 Anm. III;
bejahend: OLG Köln OLGZ 1969, 33, 35; OLG Celle Nds Rpfl 1977,
190; OLG Köln MDR 1980, 407; OLG Hamm NJW 1982, 287; Baumbach/
Lauterbach/Hartmann, ZPO, 41. Aufl. § 114 Anm. 2 B i, § 119
Anm. 1 C e; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl. § 118 a
Rdn. 14). Der Bundesgerichtshof hat diese Streitfrage bisher
nicht entschieden; er hat sie in seinem Beschluß vom 28. Janu-
ar 1956 - IV ZR 225/55 (*= LM ZPO § 119 Nr. 3) ausdrücklich
offen gelassen.
2. Der überwiegenden Auffassung, nach der für das Pro-
zeßkostenhilfeverfahren grundsätzlich keine Prozeßkostenhilfe
gewährt werden kann, ist zuzustimmen. Das Gesetz sieht Prozeß-
kostenhilfe für das Bewilligungsverfahren nicht vor (so auch OLG
Schleswig SchlHA 1978, 75, 76; OLG Bremen JurBüro 1979, 447; OLG
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Düsseldorf JurBüro 1981, 773, 774; OLG Nürnberg, NJW 1982, 288;
OLG Hamm FamRZ 1982, 623). Nach § 114 ZPO kann Prozeßkostenhilfe
für die "Prozeßführung" gewährt werden. Hierunter ist das ei-
gentliche Streitverfahren zu verstehen, nicht aber das Prozeß-
kostenhilfeprüfungsverfahren, in welchem lediglich über die Ge-
währung staatlicher Hilfe für den Antragsteller zu befinden ist
(vgl. OLG Hamm FamRZ 1982, 623). Dagegen weisen diejenigen, die
Prozeßkostenhilfe für das Prüfungsverfahren befürworten, darauf
hin, im Prozeßkostenhilfeverfahren werde zwar unmittelbar über
staatliche Fürsorgeleistungen entschieden, gleichzeitig erfolge
jedoch eine vorläufige rechtliche Prüfung durch den Richter, in
deren Rahmen die Beteiligten ihre Rechte verfolgten. Das Be-
willigungsverfahren sei deshalb dem streitigen Prozeßverfahren
eng verwandt (OLG Köln OLGZ 1969, 33, 35, 36; vgl. auch OLG
Köln MDR 1980, 407).
Einer solchen ausdehnenden Auslegung bedarf es nach Sinn
und Zweck der Vorschriften über die Prozeßkostenhilfe jedoch
nicht. Der armen Partei soll ermöglicht werden, ihr Recht vor
Gericht zu verfolgen oder sich in einem Rechtsstreit zu vertei-
digen. Die Partei wird nicht dadurch benachteiligt, daß ihr für
das Bewilligungsverfahren keine Prozeßkostenhilfe gewährt, ins-
besondere kein Rechtsanwalt beigeordnet wird. Bedarf der Antrag-
steller, bevor er einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe stellt, der
Beratung über die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung, so findet das Beratungshilfegesetz Anwen-
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dung, das unter den Voraussetzungen des § 1 Rechtsberatung durch
Anwalt oder Gericht außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens er-
möglicht (vgl. OLG Nürnberg NJW 1982, 288; Schneider MDR 1981,
793, 794; Zöller/Schneider, ZPO, 13. Aufl. § 119 Anm. I 1 b
und Vorbem.§ 114 Anm. III; für die Anwendbarkeit des Bera-
tungshilfegesetzes zugunsten des Antrags g e g n e r s, weil
für diesen das Prozeßkostenhilfeverfahren kein gerichtliches
Verfahren sei, Pentz NJW 1982, 1269, 1270; a.A. auch für den
Antragsgegner: OLG Hamm NJW 1982, 287). Ziel des Beratungshilfe-
gesetzes ist es, sicherzustellen, daß die rechtliche Betreuung
finanziell hilfsbedürftiger Bürger auch im vor- und außerge-
richtlichen Bereich gewährleistet ist (vgl. Gesetzentwurf der
Bundesregierung und Stellungnahme des Bundesrates in BR-Drucks.
404/79, Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
(6. Ausschuß) in BT-Drucks. 8/3695). Hierzu gehört die Be-
ratung der armen Partei über ein beabsichtigtes Prozeßkosten-
hilfeverfahren, insbesondere die für die Bewilligung der Prozeß-
kostenhilfe maßgeblichen Erfolgsaussichten der vorgesehenen
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, die im vorliegenden
Falle vom Gericht zwar nicht hinsichtlich der Rechtsverteidigung
des Beklagten als Rechtsmittelgegner (vgl. § 119 Satz 2 ZPO),
wohl aber hinsichtlich der beabsichtigten Anschlußrevision zu
prüfen wären. Auch für eine solche Beratung im Vorfeld des
Prozeßkostenhilfeverfahrens muß die staatliche Betreuung der
armen Partei gewährleistet sein. Denn der zweitinstanzliche
Prozeßbevollmächtigte würde - wie jeder neu eingeschaltete
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Rechtsanwalt - für diese Tätigkeit eine besondere Auskunfts-
gebühr nach § 20 BRA- GebO erhalten (Riedel/Sußbauer/Fraunholz,
BRAGebO, 3. Aufl. § 20 Rdn. 16).
Der Antrag auf Bewilligung der Prozeßkostenhilfe als sol-
cher kann sodann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt
werden (§ 117 Abs. 1 ZPO); Anwaltszwang besteht nach § 78
Abs. 2 ZPO auch in der Revisionsinstanz nicht. Dabei ist der
Urkundsbeamte verpflichtet, den Antragsteller über die Antrags-
erfordernisse des § 117 ZPO sachgemäß zu beraten (Baumbach/
Lauterbach/Hartmann, ZPO, 42. Aufl. § 117 Anm. 2 B).
Der armen Partei, der für das Bewilligungsverfahren Pro-
zeßkostenhilfe nicht gewährt wird, entstehen auch keine Kosten-
nachteile. Das Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren ist gerichts-
gebührenfrei (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 42. Aufl.
§ 118 Anm. 5 A; Thomas/Putzo, ZPO, 12. Aufl. § 118
Anm. 3 a). Dem Gegner werden außergerichtliche Kosten, die ihm
im Bewilligungsverfahren entstehen, nicht erstattet (§ 118
Abs. 1 Satz 4 ZPO). Auch für etwaige Auslagen nach § 118
Abs. 1 Satz 5 ZPO muß der Antragsteller keinen Vorschuß lei-
sten. Sie werden zunächst von der Staatskasse getragen und nach
Abschluß des Rechtsstreits der unterlegenen Partei als Gerichts-
kosten auferlegt (Baumbach/Lauterbach/Hartmann aaO; Thomas/Putzo
aaO).
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3. Da die Rechtsberatung der armen Partei durch das Be-
ratungshilfegesetz gewährleistet ist und der Urkundsbeamte der
Geschäftsstelle für einen vollständigen und sachgemäßen Antrag
der Partei sorgen muß, ist die Chancengleichheit der armen Par-
tei im Vergleich zu finanziell gut gestellten Rechtssuchenden
gewahrt. Die restriktive Auslegung des Begriffes "Prozeßführung"
in § 114 ZPO verstößt daher nicht gegen den Gleichheitssatz des
Art. 3 Abs. 1 GG (so auch OLG Bremen JurBüro 1979, 447). Auch
ist dem Erfordernis des Art. 103 Abs. 1 GG (rechtliches Gehör)
Rechnung getragen (so auch OLG Nürnberg NJW 1982, 288). Denn das
Grundgesetz verlangt nicht, daß das rechtliche Gehör gerade
durch Vermittlung eines Anwalts wahrgenommen wird (BVerfG NJW
1971, 2302).
4. Das Oberlandesgericht Hamm hat in seinem Beschluß vom
10. November 1981 dem Antragsgegner für das Prozeßkostenhilfe-
verfahren Prozeßkostenhilfe mit der Begründung gewährt, die Neu-
fassung des § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO nötige unter den Voraus-
setzungen des § 114 ZPO zur Bewilligung der Prozeßkostenhilfe
und Beiordnung eines Rechtsanwalts, weil danach das Interesse
einer Partei an anwaltlicher Vertretung immer dann beachtlich
sei, wenn auch die andere Partei durch einen Rechtsanwalt ver-
treten sei (NJW 1982, 287, 288). Dem kann nicht gefolgt werden.
Denn § 121 ZPO regelt lediglich, ob der Partei, der Prozeß-
kostenhilfe bewilligt worden ist, auch ein Rechtsanwalt beige-
ordnet werden muß. Dieser Vorschrift kann umgekehrt aber nicht
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entnommen werden, daß dem - armen - Gegner einer anwaltlich ver-
tretenen Partei immer Prozeßkostenhilfe bewilligt und ein Anwalt
beigeordnet werden muß.
5. Da die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozeß-
kostenhilfe nach alledem nicht vorliegen, kann offen bleiben, ob
der gestellte Antrag nicht schon deshalb zurückgewiesen werden
müßte, weil dem Beklagten im Falle der Bewilligung der nach-
gesuchten Prozeßkostenhilfe seine zweitinstanzlichen Prozeßbe-
vollmächtigten nach § 121 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht beigeordnet
werden könnten. Hierdurch entstünden nämlich zusätzliche Kosten.
Das Prozeßkostenhilfeverfahren zählt zum Gebührenrechtszug des
Verfahrens, auf das es sich bezieht (Riedel/Sußbauer/Keller,
BRAGebO, 3. Aufl. § 51 Rdn. 13), hier also zur Revisionsin-
stanz. Das bedeutet, daß die im Prozeßkostenhilfeverfahren ver-
dienten Gebühren auf die im Rechtsstreit entstehenden ange-
rechnet werden (Riedel/Sußbauer/Keller aaO). Die Vertretung der
Partei im Prozeßkostenhilfeverfahren durch einen beim Revisions-
gericht nicht zugelassenen Rechtsanwalt würde daher die Anrech-
nung verhindern. Dieses Ergebnis soll durch § 121 Abs. 2 Satz 2
ZPO ausgeschlossen werden. Ohne die Beiordnung seiner zweitin-
stanzlichen Prozeßbevollmächtigten hätte die Bewilligung von
Prozeßkostenhilfe für das Prozeßkostenhilfeverfahren für den
Beklagten indessen kein erkennbares Interesse.
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6. Ob über die Frage der Gewährung von Prozeßkostenhilfe
für das Bewilligungsverfahren anders zu entscheiden wäre, wenn
im Rahmen des Prozeßkostenhilfeverfahrens ein Vergleich ge-
schlossen werden soll (vgl. hierzu OLG Schleswig SchlHA 1978,
75, 76; Pentz NJW 1982, 1269, 1270), kann hier dahinstehen, da
ein solcher Fall nicht vorliegt.
B. T. Dr. Z.
Dr. P. G.
Nachschlagewerke: ja
BGHZ: ja
ZPO §§ 114, 121 Abs. 2 Satz 2
Für das Prozeßkostenhilfeverfahren kann Prozeßkostenhilfe nicht
gewährt werden.
BGH, Beschl. v. 30. Mai 1984 - VIII ZR 298/83 - OLG Hamburg
LG Hamburg
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