BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss
in dem Rechtsstreit
Az: B 1 KR 43/04 B
Klägerin und Beschwerdeführerin,
Prozessbevollmächtigter:
gegen
Kaufmännische Krankenkasse – KKH,
Karl-Wiechert-Allee 61, 30625 Hannover,
Beklagte und Beschwerdegegnerin.
Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 27. Juni 2005 durch den
Präsidenten von W. sowie die Richter Prof. Dr. S.
und Dr. H.
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision
im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. April
2004 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
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Gründe:
I
[Abs 1] Die Klägerin ist mit ihrem Begehren, ihr die Kosten für die privatärztliche Behandlung bei
Dr. K in Höhe von 2.226,32 DM sowie vier mal 1.400,36 € für jeweils eine extrakorporale
Photopherese bei den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat
in seinem Urteil vom 20. April 2004 ua ausgeführt, die Voraussetzungen des § 13 Abs 3 Fünftes
Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien nicht erfüllt. Es verweise auf die Entscheidungsgründe
des Urteils des Sozialgerichts (SG). Danach kam eine Kostenerstattung für die extrakorporalen
Photopheresen nicht in Betracht, weil eine positive Empfehlung des Bundesausschusses zu
dieser neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode fehle. Im Übrigen wären die Maßnah-
men von Dr. Kinnerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen gewesen. Die
Leistungen seien auch nicht unaufschiebbar gewesen. Das LSG hat ergänzt, auf die
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) könne sich die Klägerin nicht
stützen, da es um eine Inlandsbehandlung gehe; zudem werde auch nach § 18 SGB V nur eine
solche Behandlung erstattet, die zum Leistungsumfang der vertragsärztlichen Versorgung
gehöre, was bei der hier streitigen nicht der Fall sei, wie es das SG in seinem Urteil ausführlich
dargelegt habe. Dass sich die Klägerin im Inland zu Lasten der gesetzlichen
Krankenversicherung nur bei Vertragsärzten behandeln lassen könne, verstoße nicht gegen
Art 3 Grundgesetz (GG), da das Zulassungssystem die Qualität und die Beachtung des
Wirtschaftlichkeitsgebots sichere. Der Anspruch aus § 13 Abs 3 2. Fallgruppe SGB V scheitere
bereits daran, dass sich die Klägerin in die Behandlung eines Nicht-Vertragsarztes gegeben
habe (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 7).
[Abs 2] Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil
des LSG vom 20. April 2004.
II
[Abs 3] Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozial-
gerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2
Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisions-
zulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG.
[Abs 4] 1. Soll die Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechts-
sache zugelassen werden, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung
dargelegt werden (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Hierzu ist es nach der ständigen Rechtspre-
chung des Bundessozialgerichts (BSG) erforderlich, eine Rechtsfrage klar zu formulieren und
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aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt, und dass die
Rechtsfrage klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist, dh sie im Falle der Zulassung der Revi-
sion entscheidungserheblich wäre (vgl Senat, Beschluss vom 28. Februar 2005, B 1 KR 6/04 B;
BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500
§ 240 Nr 33 S 151 f mwN). Hieran fehlt es. Die Beschwerde sieht es als klärungsbedürftige
Rechtsfrage an,"ob sich gesetzlich Krankenversicherte auf Grund der neuen
EuGH-Rechtsprechung grundsätzlich von jedem - in einem EG-Mitgliedsstaat niedergelasse-
nen - Arzt auf Kosten ihrer gesetzlichen Krankenkasse ambulant behandeln lassen dürfen". Zur
Entscheidungserheblichkeit dieser Rechtsfrage hat sich die Beschwerde jeglicher
Ausführungen enthalten. Entscheidungserheblichkeit bedeutet, dass es für die Entscheidung
des Rechtsstreits auf die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ankommt und die
Entscheidung bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin in ihrem
Sinne hätte ausfallen müssen. Hat ein geltend gemachter Anspruch mehrere Voraussetzungen
und wurde er vom Berufungsgericht verneint, weil eine dieser Voraussetzungen nicht vorliegt,
muss dargelegt werden, dass auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Anderenfalls ist
der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, das die Entscheidung über die aufgeworfene
Rechtsfrage Konsequenzen für den Ausgang des Rechtsstreits hat. Kann mangels
entsprechenden Vortrags nicht ausgeschlossen werden, dass der geltend gemachte Anspruch
unabhängig vom Ergebnis der angestrebten rechtlichen Klärung womöglich am Fehlen einer
weiteren, bisher unbeachtet gebliebenen Anspruchsvoraussetzung scheitern müsste, fehlt es
an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit und damit der Klärungsfähigkeit der
aufgeworfenen Rechtsfrage (vgl dazu Senat, Beschluss vom 28. Februar 2005, B 1 KR 6/04 B;
Beschluss vom 6. Dezember 2004, B 1 KR 96/03 B; BSG, Beschluss vom 30. August 2004,
SozR 4-1500 § 160a Nr 5 mwN). So aber liegt es hier. Der Kostenerstattungsanspruch des § 13
Abs 3 SGB V setzt nach ständiger Rechtsprechung des BSG voraus, dass Kosten tatsächlich
entstanden sind (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 4). Dies ist aber weder nach dem Tatbestand noch
nach den Entscheidungsgründen des LSG-Urteils oder nach dem Vorbringen der Beschwerde
vorgetragen oder sonst ersichtlich.
[Abs 5] Soweit die Klägerin dagegen einen Freistellungsanspruch geltend machen will, der ebenfalls
vom Anspruch des § 13 Abs 3 SGB V umfasst ist (vgl BSG, ebenda mwN), setzt dieser eine
rechtsgültige Zahlungsverpflichtung voraus. Dass eine solche besteht, hat die Beschwerde
nicht dargelegt. Darüber hinaus fehlt es an Darlegungen dazu, dass sich die Klägerin die
Behandlung als eine notwendige Leistung entweder selbst beschaffen musste, weil die
Beklagte sie nicht rechtzeitig erbringen konnte (§ 13 Abs 3, 1. Fallgruppe SGB V) oder dass die
Forderung, der sich die Klägerin ausgesetzt sieht, gerade darauf beruht, dass die Beklagte die
Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (§ 13 Abs 3, 2. Fallgruppe SGB V). Dazu hätte besonderer
Anlass bestanden, weil das LSG-Urteil in den Entscheidungsgründen davon ausgeht, dass die
Behandlung nicht zum Leistungsumfang der vertragsärztlichen Versorgung gehört und ein
Notfall nicht vorgelegen habe. Das BSG ist aber an die im Urteil getroffenen tatsächlichen
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Feststellungen zur Zulassung der Revision gebunden, außer wenn in Bezug auf diese
Feststellung zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind (§ 163 SGG), woran
es fehlt.
[Abs 6] 2. Auch so weit sich die Beschwerde auf den Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG be-
ruft und geltend macht, das LSG-Urteil sei vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02 (NJW 2003, 1236 = NZS 2003, 253f) abge-
wichen, es hätte nicht ausnahmslos die Kostenübernahme von der Anerkennung seitens des
Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen fordern dürfen, fehlt es an § 160a Abs 2
Satz 3 SGG genügenden Darlegungen. Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss
entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in
einer höchstrichterlichen Entscheidung andererseits gegenüber stellen und begründen,
weshalb diese miteinander unvereinbar seien (vgl Senat, Beschluss vom 28. Februar 2005,
B 1 KR 10/04 B; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl 2002, § 160a RdNr 15, § 160 RdNr 10 ff mwN).
Daran fehlt es. Die Beschwerde zitiert zwar Passagen aus dem Beschluss des BVerfG, benennt
aber keinen dazu konträren Rechtssatz des LSG-Urteils, aus dem sich die Notwendigkeit zur
Herstellung von Rechtseinheit durch eine höchstrichterliche Entscheidung ergeben könnte.
Abgesehen davon, dass das BVerfG in dem genannten Beschluss keine konkreten materiell-
rechtlichen Ansprüche auf die Gewährung bestimmter Leistungen aus Art 2 Abs 2 Satz 2 GG
abgeleitet, sondern im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes unter dem Gesichtspunkt des
Art 19 Abs 4 GG vom Beschwerdegericht eine "besonders intensive und nicht nur summarische
Prüfung der Erfolgsaussichten" oder eine Folgenabwägung verlangt hat, trägt die Beschwerde
der Sache nach allenfalls vor, das LSG sei den Grundsätzen des BVerfG nicht gefolgt. Dies
stellt indessen keine Divergenz im Sinne eines bewussten Aufstellens abweichender
Rechtssätze dar (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26). Ebenso wenig legt die Beschwerde dar,
dass aus den von ihr genannten Aussagen des BVerfG hätte zwingend ein Anspruch auf die
begehrten Leistungen folgen müssen.
[Abs 7] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Landessozialgericht Hamburg, L 1 KR 43/04 vom 10.11.2004Faksimile 1 2 3 4