BUNDESSOZIALGERICHT
Beschluss
in dem Rechtsstreit
Az: B 9 SB 90/12 B
L 7 SB 29/10 (LSG Sachsen-Anhalt)
S 12 SB 137/07 (SG Halle)
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Land Sachsen-Anhalt,
vertreten durch das Landesverwaltungsamt - Landesversorgungsamt,
Maxim-Gorki-Straße 7, 06114 Halle/Saale,
Beklagter und Beschwerdegegner.
Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 23. Januar 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. L.
sowie die Richter K.
und O.
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landes-
sozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 25. September 2012 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten
zu erstatten.
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Gründe:
[Abs 1] Mit Urteil vom 25.9.2012 hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) einen Anspruch
des Klägers auf Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" (außergewöhnliche
Gehbehinderung) verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat
der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Er macht eine grundsätzli-
che Bedeutung der Rechtssache geltend.
[Abs 2] Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den
gesetzlichen Anforderungen (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG ab-
schließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden.
[Abs 3] Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG - wie sie der Kläger geltend macht -
hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall
hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch
das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des
anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt
sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich
ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner
Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen:
(1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete)
Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm an-
gestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE
40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen
Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
[Abs 4] Der Kläger misst folgenden Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung bei:
1. Ergibt sich aus Art. 9 Abs 1, Art 20 Buchst a), Art 30 Abs 1 Buchst c) Übereinkommen der
Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) ein An-
spruch auf das Merkzeichen aG auch außerhalb der Normierungen des § 3 Abs 1 Nr. 1
Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) i.V.m. § 6 Abs 1 Nr. 14 Straßenver-
kehrsgesetz (StVG), § 46 Straßenverkehrsordnung (StVO), § 46 Verwaltungsvorschriften
zur StVO (VwV-StVO), soweit und solange es sich bei diesem Merkzeichen um die einzige
Möglichkeit handelt, im gesamten Bundesgebiet Parkerleichterungen zu erhalten?
2. Ergibt sich aus der UN-BRK als im Zusammenhang mit der vom Bundesverfassungsge-
richt anzuwendenden Auslegungshilfe des Grundgesetzes ein Anspruch auf Parkerleichte-
rungen i.S. einer Reduktion der derzeit strengen Maßstäbe für die Feststellung des Merkzei-
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chens aG, solange allein das Merkzeichen aG Parkerleichterungen für das gesamte Bun-
desgebiet einschließt?
[Abs 5] In Bezug auf diese Fragen fehlt es an hinreichenden Ausführungen des Klägers zum höchst-
richterlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der rechtlichen Grundsätze, nach denen das Merkzei-
chen "aG" festzustellen ist (vgl dazu § 69 Abs 4 SGB IX, § 3 Abs 1 Nr 1 SchwbAwV, § 6 Abs 1
Nr 14 StVG, § 46 Abs 1 Nr 11 VwV-StVO). Eine Klärungsbedürftigkeit ist unter anderem dann
nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist (vgl BSG SozR
1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65) oder wenn sich für die Antwort in höchst-
richterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte finden lassen (vgl BSG SozR
3-1500 § 146 Nr 2; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Der Kläger hätte daher die rechtliche Klä-
rungsbedürftigkeit der von ihm angesprochenen Fragestellungen unter Einbeziehung der vor-
handenen Rechtsprechung des BSG, wie vom LSG bereits benannt, näher begründen müssen.
Hierzu wäre es zunächst erforderlich gewesen, sich mit den vom Senat festgelegten Grundsät-
zen zur Feststellung des Merkzeichens "aG" auseinanderzusetzen (zB Senatsurteil vom
5.7.2007 - B 9/9a SB 5/06 R; Senatsurteil vom 29.3.2007 - B 9a SB 5/05 R; Senatsurteil vom
10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R, BSGE 90, 180 = SozR 3-3250 § 69 Nr 1; Senatsurteil vom
11.3.1998 - B 9 SB 1/97 R, BSGE 82, 37 = SozR 3-3870 § 4 Nr 23). Dies hat der Kläger ver-
säumt.
[Abs 6] Gleiches gilt, soweit der Kläger die rechtliche Bedeutung der UN-BRK für die Feststellung der
Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" geklärt wissen will. Allein die Bezugnahme auf einen
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom "22.3.2012 - 2 BvR 889/09, Rnr 52" (möglicher-
weise tatsächlich gemeint: Beschluss vom 23.3.2011 - 2 BvR 882/09) verbunden mit der Be-
hauptung, dass es zu den gestellten Rechtsfragen bisher keine höchstrichterliche Recht-
sprechung gebe, genügt den Darlegungserfordernissen nicht. Auch insoweit hätte es einer
Auseinandersetzung mit der zum Teil bereits vom LSG benannten Rechtsprechung des BSG
zur Anwendung der UN-BRK bedurft (vgl zB BSG Beschluss vom 10.5.2012 - B 1 KR 78/11 B -
RdNr 6 ff, SozR 4-2500 § 140f Nr 1; BSG Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 10/11 R - RdNr 19 f,
SozR 4-1100 Art 3 Nr 69, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; Senatsurteil vom
24.5.2012 - B 9 V 2/11 R - RdNr 36, SozR 4-3520 § 7 Nr 1, auch zur Veröffentlichung in BSGE
vorgesehen; Senatsurteil vom 29.4.2010 - B 9 SB 2/09 R - RdNr 43, BSGE 106, 101 = SozR
4-3250 § 2 Nr 2). Mit dieser Rechtsprechung hätte sich der Kläger inhaltlich befassen und auf-
zeigen müssen, in welchem Rahmen eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung
derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erfor-
derlich ist (vgl hierzu allgemein Becker, die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG [Teil I], SGb
2007, 261, 266 zu Fußnote 58). Dabei wäre zB darauf einzugehen gewesen, ob die UN-BRK an
der Rechtslage für das Merkzeichen "aG" etwas Grundlegendes geändert hat (vgl dazu Wendt-
land, Finale Betrachtungsweise bei Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen
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"aG", in Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht, Forum C, Diskussionsbeitrag
Nr 9/2011, vom 29.11.2011).
[Abs 7] Soweit der Kläger im Übrigen die Beweiswürdigung des LSG (vgl hierzu § 128 Abs 1 S 1 SGG)
kritisiert, kann er damit gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein keine Revisions-
zulassung erreichen. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger eine unzutreffende Rechtsanwen-
dung des LSG rügen wollte (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
[Abs 8] Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a
Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).
[Abs 9] Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendungen des § 193 SGG.