BUNDESSOZIALGERICHT


Urteil

in dem Rechtsstreit


Az: 1 RK 23/95


Kläger und Revisionsbeklagter,

Prozeßbevollmächtigte:


gegen


Barmer Ersatzkasse,

Untere Lichtenplatzer Str. 100-102, 42289 Wuppertal,

Beklagte und Revisionsklägerin.


Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom

9. Dezember 1997 durch die Richter S. - Vorsitzender - , Dr. D.

und Dr. S. sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. B.

und B.


für Recht erkannt:


Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-

Westfalen vom 27. Juli 1995 aufgehoben.


Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 9. September

1994 wird zurückgewiesen.


Kosten sind nicht zu erstatten.


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Gründe:


I


Der 1987 geborene Kläger leidet an einer Phenylketonurie, einer angeborenen Störung

des Eiweißstoffwechsels, bei der die Aminosäure Phenylalanin vom Körper nicht abge-

baut werden kann. Die Krankheit erfordert eine Diät, deren Grundlage phenylalaninfreie

Eiweißersatzpräparate bilden. Daneben müssen haushaltsübliche Getreideprodukte wie

Mehl, Brot, Backwaren, Teigwaren, Gebäck und Pasteten durch eiweißarme Spezialnah-

rungsmittel aus dem Reformhaus ersetzt werden.


Die beklagte Ersatzkasse, bei welcher der Kläger über seine Mutter krankenversichert ist,

trägt die Kosten für die als Arzneimittel eingestuften Eiweißersatzpräparate. Die Über-

nahme der Kosten für die eiweißarmen Nahrungsmittel lehnte sie dagegen mit Bescheid

vom 28. März 1989 (Widerspruchsbescheid vom 21. August 1989) ab, weil die Kranken-

versicherung für die Beschaffung von Lebensmitteln des täglichen Bedarfs auch dann

nicht aufzukommen habe, wenn aus Krankheitsgründen eine besondere, kostenaufwen-

digere Ernährung vonnöten sei.


Während das Sozialgericht (SG) die dagegen gerichtete Klage abgewiesen hat, hat das

Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verurteilt, dem Kläger die durch die notwendige

eiweißarme Ernährung entstandenen Mehrkosten im Verhältnis zu den Kosten der Ernäh-

rung eines gesunden gleichaltrigen Versicherten zu erstatten (Urteil vom 27. Juli 1995).

Es hat ausgeführt: Lebensmittel seien zwar im Regelfall auch dann keine Arznei- oder

Heilmittel, wenn ihnen über den allgemeinen Ernährungszweck hinaus eine spezifische

Heilwirkung zukomme, wie dies bei den eiweißarmen Getreideprodukten der Fall sei. Et-

was anderes müsse jedoch ausnahmsweise gelten, wenn der Versicherte auf die beson-

dere Ernährung angewiesen und ihm die Beschaffung der teureren Spezialnahrungsmittel

unter Abwägung mit den Interessen der Solidargemeinschaft wirtschaftlich nicht zumutbar

sei. Letzteres sei hier der Fall gewesen, denn die Mutter des Klägers habe zeitweise von

Sozialhilfe gelebt und die zusätzlichen Mittel für die Krankenkost in Höhe von mindestens

100,-- DM pro Monat nicht aufbringen können.


Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Der Krankenbe-

handlungsanspruch umfasse nach § 27 Abs 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch

(SGB V) die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, nicht aber die Be-

reitstellung von Mitteln des allgemeinen Lebensbedarfs. Für Mehraufwendungen, welche

durch eine besondere krankheitsbedingte Lebensführung entstünden, habe die Kranken-

versicherung grundsätzlich keinen Ersatz zu leisten, es sei denn, daß ausdrücklich etwas

anderes geregelt sei. Hiervon könne nicht je nach den Umständen des Einzelfalles abge-

wichen werden. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten sei schon vom


- 3 -


Ansatz her kein geeigneter Gradmesser für die Leistungsverpflichtung eines Trägers der

gesetzlichen Krankenversicherung.


Die Beklagte beantragt,


das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Juli 1995 aufzu-

heben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold

vom 9. September 1994 zurückzuweisen.


Der Kläger beantragt,


die Revision zurückzuweisen.


Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Mehraufwendungen für besondere

krankheitsverträgliche Nahrungsmittel seien typische Folgekosten der Krankheit und mit-

hin dem Risikobereich der Krankenversicherung zuzurechnen. Dies rechtfertige es, sie

jedenfalls dann der Krankenkasse aufzubürden, wenn der Versicherte mit der Aufbrin-

gung der zusätzlichen Mittel wirtschaftlich überfordert sei.


II


Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung der klageabwei-

senden Entscheidung erster Instanz.


Nach dem Tenor des angefochtenen Urteils hat das Berufungsgericht nur über die Er-

stattung der bei Erlaß des Urteils bereits entstandenen Kosten entschieden. Es hat damit

das Klagebegehren, das auf Übernahme der durch die eiweißarme Ernährung bedingten

Mehraufwendungen ohne zeitliche Begrenzung gerichtet war, nicht ausgeschöpft. Da nur

die Beklagte Revision eingelegt hat, ergeben sich daraus jedoch keine prozessualen Fol-

gerungen. In der Sache selbst kann der Auffassung des LSG nicht gefolgt werden. Der

Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der durch den Verzehr eiweißarmer Spezial-

nahrungsmittel entstandenen krankheitsbedingten Mehrkosten.


Als Rechtsgrundlage des vom LSG angenommenen Erstattungsanspruchs kommt nur

§ 13 Abs 3 (früher Abs 2) SGB V in Betracht. Danach hat die Krankenkasse, wenn sie

eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu

Unrecht abgelehnt hat, dem Versicherten die für die Beschaffung der Leistung aufgewen-

deten Kosten zu erstatten. Da der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle eines an sich

gegebenen Sachleistungsanspruchs tritt, kann er nur bestehen, soweit die selbstbe-

schaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, welche die gesetzlichen Kran-

kenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Das ist bei den im Streit

befindlichen Diätnahrungsmitteln nicht der Fall.


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Die von der Krankenkasse zu gewährende Krankenbehandlung umfaßt neben der ärztli-

chen Behandlung ua nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V die Versorgung mit Arznei-,

Verband-, Heil- und Hilfsmitteln. Diätnahrungsmittel sind keine Heilmittel iS der genannten

Vorschrift, weil sie zum Verzehr und nicht zur äußeren Einwirkung auf den Körper be-

stimmt sind (zum Begriff des Heilmittels vgl BSGE 28, 158, 159 f = SozR Nr 30 zu § 182

RVO Bl Aa 28; BSGE 46, 179, 182 = SozR 2200 § 182 Nr 32 S 62; BSG SozR 3-2200

§ 182 Nr 11 S 47 f). Als Arzneimittel dürfen sie nach den Arzneimittelrichtlinien des Bun-

desausschusses der Ärzte und Krankenkassen (AMRL) von den an der vertragsärztlichen

Versorgung teilnehmenden Ärzten nicht verordnet werden (vgl Nr 17.1 Buchst i AMRL

vom 31. August 1993 - BAnz 1993 Nr 246; ebenso früher: Nr 21 Buchst i AMRL vom

19. Juni 1978 - Beilage zum BAnz 1978 Nr 235). Sie sind damit von der Anwendung zu

Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Die auf der Grundlage

des § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V erlassenen AMRL regeln als untergesetzliche Rechts-

normen den Umfang und die Modalitäten der Arzneimittelversorgung mit verbindlicher

Wirkung sowohl für die Vertragsärzte und die Krankenkassen als auch für die Versicher-

ten (allgemein zur Rechtsqualität und Tragweite der Richtlinien der Bundesausschüsse

der (Zahn)Ärzte und Krankenkassen: Senatsurteil vom 16. September 1997 - 1 RK 32/95,

zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Das Verordnungsverbot für Diätle-

bensmittel und Krankenkost hält sich im Rahmen der dem Bundesausschuß der Ärzte

und Krankenkassen erteilten Rechtsetzungsermächtigung. Zwar bezieht sich diese Er-

mächtigung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur auf den Erlaß

von Vorschriften zur Sicherung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen

Arzneimittelversorgung und gibt dem Bundesausschuß nicht die Befugnis, selbst Inhalt

und Grenzen des Arzneimittelbegriffs festzulegen (BSGE 66, 163, 164 = SozR 3-2200

§ 182 Nr 1 S 2; BSGE 67, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr 2 S 4; BSGE 72, 252, 255

= SozR 3-2200 § 182 Nr 17 S 81 f). Der Regelung in Nr 17.1 Buchst i AMRL liegt indes-

sen kein vom Gesetz abweichender Arzneimittelbegriff zugrunde. Sie zieht mit dem Aus-

schluß von Diätnahrungsmitteln aus der vertragsärztlichen Versorgung lediglich die recht-

liche Konsequenz daraus, daß derartige Produkte keine Arzneimittel im krankenversiche-

rungsrechtlichen Sinne sind.


Der Begriff des Arzneimittels wird im SGB V selbst nicht erläutert. Nach der Definition des

Arzneimittelgesetzes (AMG), die im wesentlichen mit dem allgemeinen Sprachgebrauch

übereinstimmt, sind darunter Substanzen zu verstehen, deren bestimmungsgemäße Wir-

kung darin liegt, Krankheitszustände zu erkennen, zu heilen, zu bessern, zu lindern oder

zu verhüten (vgl § 2 Abs 1 AMG idF der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 - BGBl I

3018). Die in Rede stehenden eiweißarmen Getreideprodukte dienen demgegenüber in

erster Linie der Ernährung. Sie treten an die Stelle haushaltsüblicher Back- und Teigwa-

ren, deren Verzehr dem Kläger wegen ihrer krankheitsverschlimmernden Wirkung versagt

ist. Ihre durch den vorrangigen Verwendungszweck begründete Eigenschaft als Nah-


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rungs- bzw Lebensmittel (vgl § 1 Abs 1 Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz idF

der Bekanntmachung vom 9. September 1997 - BGBl I 2390) verlieren sie nicht dadurch,

daß sie speziell zu dem Zweck hergestellt werden, eine auf die Krankheit abgestimmte

Ernährungsweise zu ermöglichen. Als Lebensmittel sind sie, wie § 2 Abs 3 Nr 1 AMG

ausdrücklich klarstellt, keine Arzneimittel. Sie gehören damit auch nicht zur Arzneimittel-

versorgung als Teil der Krankenbehandlung. Dabei kann offenbleiben, ob der Arzneimit-

telbegriff des SGB V in jeder Hinsicht mit demjenigen des AMG übereinstimmt

(verneinend: BSGE 67, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr 2 S 4; BSG SozR 3-2200 § 182

Nr 11 S 46; bejahend: Schlenker, DOK 1987, 236 ff; ders, SGb 1988, 473 ff). Darauf

kommt es nicht an, weil jedenfalls in dem hier interessierenden Punkt der Unterscheidung

und Abgrenzung zwischen Arzneimitteln auf der einen und Nahrungsmitteln auf der ande-

ren Seite keine Abweichung besteht.


Eine Ausweitung des Arzneimittelbegriffs durch Einbeziehung von Diät- oder Krankenkost

widerspräche der begrenzten Aufgabenstellung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Diese verfolgt nicht das Ziel, den Versicherten vor krankheitsbedingten Nachteilen umfas-

send zu schützen. Bei der Vielzahl von Auswirkungen, die eine Krankheit auf die Le-

bensführung des Betroffenen haben kann, wäre das Krankenversicherungsrisiko nicht

sachgerecht begrenzbar, wenn es sich auf alle durch die Krankheit veranlaßten Aufwen-

dungen erstrecken würde. Die Leistungspflicht der Krankenkassen ist deshalb, soweit das

Gesetz nichts anderes vorschreibt, auf Maßnahmen beschränkt, die gezielt der Krank-

heitsbekämpfung dienen. Mehrkosten und andere Nachteile und Lasten, die der Versi-

cherte im täglichen Leben wegen der Krankheit hat, sind der allgemeinen Lebenshaltung

zuzurechnen und nicht von der Krankenkasse zu tragen (vgl BSGE 42, 16, 18 f = SozR

2200 § 182 Nr 14 S 30 f; BSGE 42, 229, 231 = SozR 2200 § 182b Nr 2 S 3; BSGE 53,

273, 275 = SozR 2200 § 182 Nr 82 S 161 f). Das gilt grundsätzlich auch für Mehraufwen-

dungen, die durch eine besondere, krankheitsangepaßte Ernährungsweise entstehen

(BSG SozR 2200 § 182 Nr 88 S 183; BSGE 63, 99, 100 = SozR 2200 § 182 Nr 109 S 234;

vgl zur identischen Risikoabgrenzung im Beihilferecht des öffentlichen Dienstes: OVG

Rheinland-Pfalz, Der öffentliche Dienst 1995, 291; VGH Baden-Württemberg, Zeitschrift

für Beamtenrecht 1985, 255; im sozialen Entschädigungsrecht: BSGE 64, 1 = SozR 3100

§ 11 Nr 17; im Sozialhilferecht: BverwG Buchholz 427.3 § 276 LAG Nr 15).

Dementsprechend hat der 3. Senat des BSG schon zum früheren Recht der Reichsversi-

cherungsordnung (RVO) entschieden, daß Lebensmittel, auch soweit ihnen über ihren

generellen Ernährungszweck hinaus eine spezifische krankheitsheilende, krankheitslin-

dernde oder verschlimmerungshemmende Wirkung zukommt, keine Arzneimittel im Sinne

des Leistungsrechts der Krankenversicherung sind (Urteil des 3. Senats vom 18. Mai

1978 - BSGE 46, 179, 182 = SozR 2200 § 182 Nr 32 S 82).


Dieser Rechtsstandpunkt ist entgegen der Ansicht des LSG nicht dadurch relativiert wor-

den, daß derselbe Senat in späteren Entscheidungen zu § 182 Abs 1 RVO die Auffassung


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vertreten hat, eine Krankenkost könne von der Krankenkasse ausnahmsweise gewährt

werden, wenn zu der Heilwirkung der Kost für den einzelnen Versicherten noch beson-

ders gravierende Umstände, insbesondere eine unzumutbar hohe finanzielle Belastung

durch die im Vergleich zu üblichen Lebensmitteln teureren Diätpräparate, hinzuträten

(Urteile vom 23. März 1983 - SozR 2200 § 182 Nr 88 S 183 und vom 23. März 1988 -

BSGE 63, 99, 100 = SozR 2200 § 182 Nr 109 S 234; ähnlich für andere Gegenstände des

allgemeinen Lebensbedarfs: BSGE 65, 154, 157 = SozR 2200 § 368e Nr 13 S 35; BSGE

67, 36, 37 = SozR 3-2500 § 27 Nr 2 S 3). Damit ist nicht zum Ausdruck gebracht worden,

daß beim Vorliegen derartiger Umstände die Krankenkost zum Arzneimittel wird. Die Re-

vision weist mit Recht darauf hin, daß die Arzneimitteleigenschaft einer Substanz durch

den Verwendungszweck bestimmt wird und nichts mit der wirtschaftlichen Leistungsfähig-

keit des Versicherten zu tun hat. Andernfalls könnte ein und dasselbe Produkt je nach der

Situation des Erkrankten einmal Arzneimittel sein und ein anderes Mal nicht. Die ange-

führten Entscheidungen haben nicht den Arzneimittelbegriff modifiziert, sondern vielmehr

das Spektrum der im Gesetz vorgesehenen Leistungen erweitert. Das war nach früherem

Recht nicht ausgeschlossen; denn § 182 Abs 1 Nr 1 RVO enthielt, wie das Wort

"insbesondere" im Einleitungssatz der Vorschrift verdeutlicht, keine abschließende Auf-

zählung der als Krankenpflege zu gewährenden Leistungen und ließ damit Raum für eine

Ausweitung des Leistungskatalogs. Insofern konnte die Gewährung der Krankenkost in

den genannten Ausnahmefällen als eine besondere Leistung der Krankenpflege neben

den in § 182 Abs 1 Nr 1 RVO ausdrücklich genannten Leistungsarten angesehen werden.

Diese Möglichkeit ist mit dem Inkrafttreten des SGB V am 1. Januar 1989 entfallen. Der

jetzige § 27 Abs 1 Satz 2 SGB V regelt den Umfang der Krankenbehandlung bewußt ab-

schließend (Begründung zum Entwurf des Gesundheitsreformgesetzes, BT-Drucks

11/2237 S 170). Die Krankenkassen sind damit grundsätzlich auf die in der Vorschrift ge-

nannten Leistungen beschränkt; außerhalb etwaiger Modellvorhaben nach § 63 Abs 2

SGB V können neue Leistungsarten nur vom Gesetzgeber eingeführt werden (Höfler in

Kasseler Kommentar, § 27 SGB V RdNr 58; von Maydell in Gemeinschaftskommentar

zum SGB V § 27 RdNr 77). Die bisherige Rechtsprechung, auf die das LSG seine Ent-

scheidung gestützt hat, kann deshalb für das geltende Recht nicht aufrechterhalten wer-

den.


Mit der Aussage, daß Lebensmittel, auch wenn es sich um Diät- oder Krankenkost han-

delt, keine Leistungen der Krankenversicherung sind, weicht der Senat von der Rechts-

auffassung ab, die dem Urteil des für die knappschaftliche Krankenversicherung zustän-

digen 8. Senats des BSG vom 27. September 1994 - 8 RKn 9/92 (USK 94110) zugrunde

liegt. Der 8. Senat hat dort auch für das neue Recht daran festgehalten, daß ein Lebens-

mittel (im konkreten Fall ein handelsübliches Heilwasser) ausnahmsweise zum Arznei-

mittel werden könne, wenn zu der Heilwirkung besonders gravierende Umstände, etwa

eine unzumutbare finanzielle Belastung des Versicherten, hinzukämen. Einer Anfrage

gemäß § 41 Abs 3 SGG wegen der insoweit bestehenden Divergenz bedarf es gleichwohl


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nicht, weil vorliegend ein Anspruch des Klägers auch bei Zugrundelegung der Rechtsauf-

fassung des 8. Senats zu verneinen wäre. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil

vom 10. Mai 1995 (SozR 3-2500 § 33 Nr 15) entschieden, daß krankheitsbedingte Mehr-

kosten beim Kauf von Gegenständen des allgemeinen Lebensbedarfs nur dann als

"besonders gravierender Umstand" gewertet werden können, wenn bei den betreffenden

Gütern der Teil der Herstellungskosten überwiegt, der allein auf die therapeutische Wir-

kung des Mittels zurückzuführen ist. Nur dann trete die Bedeutung als Gebrauchsgegen-

stand für den Versicherten in den Hintergrund, so daß eine Beteiligung der Krankenkasse

an den Aufwendungen zu rechtfertigen sei. Ausgehend hiervon würde eine Leistungs-

pflicht der Beklagten auch auf dem Boden der früheren Rechtsprechung ausscheiden,

weil die vom Kläger benötigten Back- und Teigwaren, wie sich aus den von ihm vorge-

legten und bei den Akten befindlichen Preislisten ersehen läßt, durchweg weniger als

doppelt so teuer sind wie gleichartige haushaltsübliche Produkte.


Nach alledem konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


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  • 11 BA 4/75
  • 11 BA 8/75
  • 11 BAr 47/92
  • 12/11 BA 116/75
  • 13 BJ 207/92
  • 13 BJ 271/96
  • 1/3 RK 13/90
  • 1 BvR 1411/91
  • 1 BvR 1601/08
  • 1 RK 23/95
  • 1 RK 23/96
  • 2 BU 15/91
  • 2 RU 15/85
  • 2 RU 38/96
  • 2 RU 61/60
  • II ZR 124/76
  • 5b BJ 114/85
  • 5 RJ 26/94
  • VIII ZR 298/83
  • 9/9a BV 196/87
  • 9/9a RVs 19/86
  • 9 BV 39/88
  • 9b RAr 7/90
  • 9 RV 24/94
  • B 14 EG 6/98 B
  • B 1 KR 6/10 BH
  • B 1 KR 43/04 B
  • B 1 KR 110/04 B
  • B 1 KR 149/06 B
  • B 1 KR 155/06 B
  • B 2 U 396/02 B
  • B 4 AS 69/10 S
  • B 4 RA 131/98 B
  • B 8 SO 6/11 R
  • B 8 SO 54/10 B
  • B 9 SB 90/12 B
  • L 5 B 314/08 KR ER
  • L 5 KR 43/07
  • S 12 KR 1065/04
  • S 13 SB 486/10
  • S 14 KR 60/08
  • S 14 KR 69/08 ER
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